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Dienstag, August 31, 2010

Ausländischer Wirt als Feindbild (Update 2)

In Taiwan wird man sehr freundlich aufgenommen, wohl weil Taiwan seit den 70er-Jahren seinen Erfolg auf dem Export ins westliche Ausland gegründet hat. Ich habe zwar über die Jahre bemerken müssen, dass in der Freundlichkeit auch manchmal eine nervöse Krampfhaftigkeit steckt, die von über-das-andere-Aussehen-lachen bis hin zu blanker Unverschämtheit reicht, aber das ist doch eher selten. Oft wird man regelrecht angehimmelt, halbwüchsige Tankstellenangestellte (männlich) sagen meiner Frau ich würde gut aussehen etc. Böse sein kann man den Einheimischen da nicht, irgendwie sind Ausländer hier etwas ganz besonderes, insbesondere wenn man die ausgetretenen Innenstadtpfade von Taipei verlässt, auf denen ich selten zu finden bin.

Guck mal Hermeline, ein Ausländer! (Foto: Ludigel)

Wer heraussteht, steht aber auch schnell in negativer Hinsicht heraus. Ein Beispiel ist der angebliche englische Todesfahrer (siehe HIER), der beschuldigt wurde, einen Mopedfahrer im trunkenen Zustand angefahren und getötet zu haben. Die Taiwanpresse startete eine beispiellose Vorverurteilungscampagne von der bis heute nichts zurück genommen ist. Hundertausende von US-Dollar sollte er an das Opfer zahlen und das ganze Land heulte und zähneklapperte und war kurz vor dem Schwingen von Fackeln und Mistgabeln, sogar tätlich angegriffen wurde er von einem wütenden Menschenmob, als er nur 10.000 US-Dollar anbot und die Schuld abstritt; auch wenn der Engländer sagte, ein anderer sei gefahren, wofür es sogar einen Videobeweis gibt. Nach Prozessbeobachtern aus der Ausländerszene soll derzeit strittig sein (LINK), ob überhaupt eine Hauptverhandlung eröffnet wird, weil die Staatsanwaltschaft noch keine stichhaltigen Beweise beibringen konnte. Außer einem Video, das ihn nicht am Steuer zeigt, sondern auf dem Beifahrersitz.

Und wieder ein Beispiel, ein ausländischer Betreiber eines seit 15 Jahren existierenden Fischrestaurants beklagt, Medien und eine lokale "Umweltschützergruppe" hätten ihn als Zielscheibe gewählt und wollten sein Restaurant schließen, andere Ausländer bestätigen die einschlägigen Medienberichte (LINK zum Ausländerforum). Angefangen hat es scheinbar damit, dass in der Nachbarschaft einige Gebäude ohne Baugenehmigung errichtet worden sind, was die Umweltschützergruppe kritisiert. Nur ist das Haus, in dem das Fischrestaurant liegt nachweislich keines davon, sagt der Ausländer. Allerdings sei die Baupolizei bei ihm aufgeschlagen und hätte angegeben trotzdem gegen ihn vorgehen zu müssen (und nicht etwa gegen die wirklich illegal errichteten Gebäude!), weil die Umweltschützergruppe sich auf ihn konzentrieren würde und sehr viel Druck machen würde. Auch das Taiwanfernsehen hat sich dankbar auf die Story vom gesetzesbrechenden Ausländer gestürzt. Daher sei man gezwungen auch kleine bauliche Veränderungen am Haus (Pergola? Leuchtreklame?) als Verstoß gegen die Bauordnung zu verfolgen. 

Das ist es was ich meine. Man steht heraus, wenn einem die Einheimischen fröhlich als lustigem Onkel zuwinken, aber eben auch, wenn in der Nachbarschaft ein Gesetzesverstoß geschieht. Seht her, da ist ein Ausländer, der muss es gewesen sein. Bei uns im Dorf bin ich erst einmal des Gemüsediebstahls (von wegen meine Hunde würden dem Bauern das Gemüse ausgraben während ich dabeistehe, dabei standen wir auf einem Müllgelände und das nur, um den Toyota vorbei zu lassen) bezichtigt worden von einem betrunkenen Autofahrer der neben mir anhielt. Mit Frau als Dolmetscher habe ich ihn allerdings zu nächtlicher Stunde ausfinding gemacht und vor versammelter Mannschaft zur Rede gestellt. Klang irgendwie nervös, gute Mann.

Freundlich sind die Einheimischen also zu uns Ausländern, aber manchmal wünscht man sich einfach weniger Aufmerksamkeit von den Leutchen hier.

Update zum Fischrestaurant: Die Behörden drohen jetzt mit Abriss des Balkons und der ersten Etage. Das Fernsehen berichtet, der Balkon sei neu, tatsächlich ist er aber schon (lt. Aussage des Wirts) Jahrzehnte am Gebäude, wie alte Fotos zeigen. Tatsächlich stockt man in Taiwan immer wieder Gebäude ohne Genehmigung auf, ich bin auch schon mal nach Hause in das damalige Billigapartment gekommen und ein Zettel war an der Tür, das Haus würde in 3 Tagen abgerissen (wurde es nie). Das alles ist Teil des nervösen halbregulierten Firlefanzes, der hier veranstaltet wird, gegen den man nicht mit Bestechung (ist ja nicht ThaiLAND hier), sondern nur mit Gegendruck (immer wieder die Behörde anrufen und sich beschweren, rumschreien am Telefon) ankäme. 
Die Umweltinitiative bemängelt scheinbar Abwässer, die vom Restaurant heraus fließen würden, aber das ist in Taiwan ganz normal (jeder Imbiss schüttet seinen Blut- und Gemüsesud in den Gulli auf dem Gehweg, das stinkt dann herrlich aus der Gosse). Die Behörden kümmern sich aber um den Balkon!

Das zeigt wie chaotisch das Betreiben eines Geschäfts in Taiwan zwischen halbherzigen Vorschriften und manchmal chaotischen Behörden im Extremfall sein kann.

Update: Das Restaurant scheint dieses zu sein : http://tw.myblog.yahoo.com/escape-41/
Schon was anderes als die üblichen Diner hier in Taiwan. Der Eigentümer ist dem vermutlich grundlosen Abriss bislang entgangen, wie auch die Nachbarschaft, weil Taifunwarnungen derzeit Abrisse unmöglich machen. Während Erdbeben und Taifunen wird in Taiwan grundsätzlich nie abgerissen. So hatte damals auch meine Wohnung ihren Abrisstermin dank eines Taifuns überstanden. Oder wäre sie eh nicht abgerissen worden? Besser man hat hier eine Bazooka im Schrank, wenn der Bagger kommt ;-) 
Das Taiwanblog wünscht dem Betreiber alles Gute und das die rechtlichen Schritte greifen, bevor seine Existenz vernichtet wird! Er hofft es noch solange betreiben zu können, bis er sein Geld wieder raus hat....

2 Kommentare:

StefanMuc hat gesagt…

Europaeisch bzw. amerikanische aussehende Auslaender, sind gemeint, denke ich. ;-)

Man sollte aber auch nicht vergessen wie Auslaender in anderen Laendern behandelt werden. Wer im Ausland lebt oder seinen Urlaub im Ausland verbringt, der ist ueblicherweise rechtlich in einer schlechteren Position als die Einheimischen. Es wird auch immer Einheimische geben die ihn als Eindringling ansehen.

Wer als Deutscher in England leben will muss sich schon auf ein geschuettet Mass an Anfeindungen und Vorurteilen einstellen, von der rassistischen Presse mal ganz abgesehen. Ich bin vermutlich auch nicht der einzige Europaeer der keine Lust mehr hat sich amerikanischen Grenzkontrollen auszusetzen. (Innerhalb der USA wird man allerdings in der Regel sehr gut behandelt.)

Natuerlich sind die jeweiligen Probleme in jedem Land anders, und je nach Herkunft oder Aussehen kriegt man auch einen ganz anderen Teil dieser Probleme zu spueren.

Wenn man eine faire Messung der Auslaenderfeindlichkeit machen wollte muesste man aber taiwanische Auslaenderfeindlichkeit mit der anderer Laender vergleichen. Nur die Behandlung (und rechtliche Stellung) von Auslaendern mit Einheimischen zu vergleichen, ist glaub ich, ein bisschen zu hart. Denn auf null Auslaenderfeindlichkeit wird kein Land kommen.

Den Anspruch so eine Messung machen zu wollen hast du nicht erhoben, das ist also auch nicht als Kritik gemeint, nur als allgemeine Ueberlegung zum Thema.

"Ludigel" hat gesagt…

Ja, richtig. In Deutschland muss ein sehr anders aussehender Ausländer schon aufpassen, nicht die falschen Leute zu treffen. Skinheads.
Sowas gibt es hier gar nicht. Man wird maximal angehimmelt, sehr sehr selten mal ein böser Blick von grantigen alten Frauen (erst zweimal bei mir in 6 Jahren, grins).
Wenn man ein bisschen in den Himmel gehoben wird hat das nur eine Kehrseite: man stürzt auch schnell ab, sowie man dann nicht den idealisierten Vorstellungen entspricht wie der Engländer.

Im Falle des Restaurants könnten auch Geschäftsinteressen dahinter stehen, die "Umweltinitiative" ist möglicherweise von einem anderen Restaurantbetreiber gesponsort.

Mein Tipp: Hier nur ein Geschäft aufmachen, wenn man einheimische aktive Frau hat, sonst hat man keine Chance im Behördendschungel.

Meine Frau würde denen einheizen, von wegen Markise als bauliche Veränderung. Aber mit einheimischer Ehefrau wäre man vermutlich auch keine Zielscheibe als Wirt. Keine Ahnung, ob er eine hat, wäre interessant zu wissen.