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Dienstag, Februar 19, 2013

Kaiserinnen im Palast

Nein, gemeint ist nicht ein Besuch von Schiegermutter und Gattin, sondern "Emperesses in the palace" ist der englische Titel der derzeitigen Lieblingsfernsehserie meiner Frau, einer Hong-Kong - Produktion, wie Google verriert. Diese Serie mit Mandarinchinesischem Ton im Taiwanfernsehen traktierte mich das ganze Chin. Neujahrsfest, denn bei uns lief sie von morgens bis abends im TV, sogar bis in die Nacht. Offenbar wurden alle Folgen am Stück wiederholt und mehrfach täglich ausgestrahlt. In Mandarin ohne Untertitel. Jedoch habe ich mir jetzt die Serie mit Untertiteln besorgt, ein Notkurs im Frauenverstehen sozusagen.


Das HongKong-TV möge mir das Grabschen eines Ausschnitts vom Fernsehplakat verzeihen. Man sieht es schon, die Damen sind nicht nur wegen ihrer verlängerten Fingernägel gefährlicher als ein Taifun mit gleichzeitigem Erdbeben. Mit Taiwanerinnen verheiratete werden hingen nur einfach ein paar Frauen im Bild erkennen, wir sind das gewohnt.
Bei der Serie geht es um den "Harem" eines Qing-Dynastie-Kaisers, ab 1722 beginnt die Geschichte. Offenbar bestand der "Hinterpalast" aus reinen Frauengemächern, in denen nicht nur die "Emperess Dowager", also die Kaiserin Mutter residiert, sondern auch die Kaiserin parallel mit diversen Mätressen, die hier im Bilde zu sehen sind (Kaiserin links, die anderen sind Mätressen). Offenbar war es üblich, dass der Kaiser gleich neben seiner Gattin diverse andere Frauen unterbrachte, was in der Pilotfolge, die ich gestern Abend mit etwas stakeligen englischen Untertiteln ("Big General, stay behind, Emperor know of your bad arm, gave cream for you") gesehen habe. Darunter die "Imperial Consort", also wohl die erste Mätresse des Kaisers (ganz rechts). In der Pilotfolge wird gleich eine "Preparing Consort" oder dergleichen ausgewählt, d.h. eine junge Edelfrau, die dem Kaiser einen vierten Sohn gebären soll - denn Kaiserin Mum hatte das dopplete Dutzend an Kindern des vorherigen Kaisers als Maß aller Dinge bezeichnet. Unser aktueller Serienkaiser hingegen sucht den Hinterpalast nur zögernd auf, angeblich wegen pressierender Regierungsgeschäfte, was wiederum den zutändigen Eunuchen wieder in Verzweifelung treibt, denn einer muss die Arbeit ja machen. Stelle ich mir Damen wie meine Gattin im Dutzend vor, es würde mich sicher eher in die Wälder als in den Hinterpalast treiben - eine ist liebreizend und charmant, aber ein Dutzend - Herr Jehmineh, das wäre sicher viel zu aufregend. Man kann sich vorstellen, wie in der Serie die Funken fliegen, wenn sich die konkurrirenden Damen zum Tee treffen.

Eine abstoßende Frauenrolle sicherlich, etwa müssen die Kandidatinnen für die Preparing Consort, die in einer Art "China sucht den Superstar"-Wettstreit vom Kaiser ausgewählt werden, auf rituelle Fragen antworten, wenn sie etwas gefragt werden. Etwa  "Liest Du Bücher?" ist mit "Nein, ich bin dumm und kenne nur die Tugenden einer Frau" zu beantworten.

Eine bizarre und ziemlich abstoßende Welt, kurios und erstaunlich, etwa wenn dem Kaiser seine aktuelle Bettgefährtin, die er offenbar über ein vom Eunuchen gereichtes Holzstäbchen auswählt, gleich eingewickelt ins Bett gelegt wird. Und man sieht in den weiteren Folgen den Kaiser so viel Haremsdamen im Garten schaukeln und zwischen den konkurrierenden Frauen hin und her rennen, dass ihm für Regierungsgeschäfte keinerlei Zeit bleiben wird. Man sieht von China sowieso nur den Palast und endlose Seidengewänder. Keine Bauern, keine Manufakturen, kein nichts. Ein Seidenlakenkaiser ohne Funktion außer der Reproduktion, so scheint es. Es wundert wenig, dass so ein dekadenter Apparat von den später eintreffenden Engländern zusammengeschossen wurde, während den "Soldaten" des Kaisers ihre nicht gepflegten Schießstöcke in der Hand explodiert sind. Trotzdem, im zehnten Ehejahr (Schluck) will ich mich nun mal den Interessen meiner Frau nähern und gucke daher tapfer die Serie - man kann sich im zweiten Jahrzehnt ja langsam näher kennenlernen ;-)

Notiz: Der Qing-Kaiser war ein Manchu und sprach gar nicht Mandarin, sagt Wikipedia. Das würde China-TV immer falsch darstellen. Na ja, ich kenne das von meiner Frau, ob man nun Deutsch, Englisch oder Marsianisch redet, das ändert sowieso nichts ;-)

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja, die asiatischen Soap Operas. Vor einigen Monaten habe ich mir das angesehen, bin aber nicht ganz durchgekommen:

http://www.dramafans.org/drama/fated_to_love_you

Am Anfang war das "Sticky Note Girl" ganz lustig, aber es verlor im Ende absolut im Surrealen. Gruß, Luo You

"Ludigel" hat gesagt…

Ja, mal gucken, wie lange ich durchhalte. Frauenverstehen durch ihre Fernsehserie gucken ist vielleicht doch zu anstrengend...

Atlanx hat gesagt…

Etwas vergleichbares ist wohl aktuell "Mad Men" - das kommt bei Frauen zur Zeit auch gut an dank -oder trotz- dem Frauenbild das zu der Zeit der Serie (sechziger Jahre) herrscht.

Oder wie Spiegel schreibt: "Die Damen üppig, devot, angepasst, die Kerle lässig, arrogant, triebgesteuert. Die US-Serie "Mad Men" strotzt vor längst überholten Klischees. Trotzdem sind vor allem Frauen begeistert. Warum bloß?"

p.s. 步步惊心 Scarlet Heart Drama dürfte aber besser sein.

Anonym hat gesagt…

Frauenflüsterer wrote:

Deine Gattin will einen Kaiser zu Hause, also ran an die Pelzkrone oder was auch immer der hat.

"Ludigel" hat gesagt…

Atlanx, ich habe es sogar durch die erste Season von Mad Men geschafft, am Anfang der zweiten hänge ich jetzt doch etwas. Ich fand es war eine ganz interessante Zeitreise, denn ich kannte noch aus der Erinnerung die Mitte der 70er, die noch ein bisschen so war. Abseits der neuen Hippiewelle hatten die Kerle noch oft einen dunklen oder grauen Anzug an, haben geraucht und ständig gesoffen. Nebel und viele Whiskyflaschen beim Sportvereintreffen bei Vaddern zu hause. Die Frauen hatten noch diese Frisuren (nett irgendwie) und auch den grellen roten Lippenstift etc. Sogar die Sofas sahen noch so aus, etwa diese grünen Veloursdinger. Oder vielleicht war W.-Deutschland der 70er stilistisch wie die USA der 60er, keine Ahnung. Ist schon interessant.

"Ludigel" hat gesagt…

Ergo: Als Ergebnis des Frauenverstehens haben wir jetzt, zu Hause den Macker raus zu kehren und mehr zu trinken.

Na denn prost.