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Donnerstag, März 21, 2013

Begegnungen mit Taiwanern

Aus gegebenem Anlass möchte ich einmal versuchen die Begegnungen mit Taiwanern, wie ich sie in den 9 Jahren meines Aufenthalts hier erlebt habe, versuchen zu katalogisieren. Taiwaner werden immer wieder als extrem gastfreundlich und weltoffen beschrieben in den Reiseführern und das trifft auch auf einen großen Teil der jungen Menschen zu, aber das ist irgendwie nur die Hälfte der Geschichte. Wie immer ohne Blatt vor den Mund, abseits aller politischen Korrektheit, wie ich es erlebt habe. Andere mögen es anders erleben, das ist klar.

Der Hilfsbereite:
Beim Einkaufen, wenn es regnet, beim Geldabheben am Automaten (!), im Wartesaal im Krankenhaus (ist hie wie eine Arztpraxis) oder wenn man nur irgendwo herum läuft und eine Hausnummer sucht kommt ein Englisch sprechender Taiwaner und bietet seine Hilfe an. Ist nett, nervt mich mittlerweile aber OK, sie meinen es gastfreundlich. Lehne dankend ab und das war es dann. Das sind Leute mit guter Schuldbildung ab Mittelklasse.

Der "Ausländer First"-Typ:
Okay, es ist immer wieder nett. Weil westliche Ausländer beliebt sind, kriegt man öfter mal eine Extrawurst gebraten, manchmal buchstäblich respektive eine Vorzugsbehandlung. Da beschwere ich mich nie drüber ;-)

Der Starrer:
Man geht irgendwo lang. Ein Mann, seltener eine Frau, mit etwas heruntergekommenden Aussehen meist, starrt einem hemmungslos hinterher, manchmal mit offenem Mund. Geht bis hin zum hinterher laufen. Eventuell spricht er andere Passanten (natürlich Einheimische) an und dann geht eine Diskussion los, bei der auf einen gezeigt wird und viel geredet wird. Immer wieder "Waiguoren" (Ausländer). Wer besser Chinesisch kann als ich oder gar Taiwanisch versteht, hört auch wenig schmeichelhaftes, was aber selten ist. Meist ist es einfach nicht-hasserfüllte Aufregung um das unglaubliche Vorhandensein eines westlichen Ausländers. Passiert am meisten in abgelegenen Gegenden. Ignoriere ich einfach.

Der aufgeregte Rufer:
Eine Variation des Starrers, der gleich mit den Fingern auf einen zeigt und laushals "Waiguoren! Waiguoren!" (Ausländer) oder auch "Adoah! Adoah!" (etwa: Langnase! Langnase!) ruft. Oft auch bei Kindern ;-)
Ignorieren...

Der Verfolger:
Ein Starrer, der einem folgt, eventuell viele Fragen stellt, eventuell veritable erstaunte Grunzlaute ausstößt, oft antatscht und leider, weil meist aus der Arbeiterklasse stammend, auch noch diesen süß-speicheligen Duft nach Betelnuss verströmt, der aus dem rotgefärbten Mund kommt. Relativ seltenes Exemplar erfreulicherweise. Mit ignorieren ist es beim Tatschen nicht getan, also mache ich durch Unfreundlichkeit deutlich, dass er mich nicht antatschen soll. Nerviger Zeitgenosse, mit der Zeit normalisiert sich eventuell der Umgang. Eventuell hält er das aber auch lange Zeit durch, wenn man ihn immer wieder trifft. Auch westliche Frauen sind schon angetatscht worden, auch an der Brust. Würden sie bei Einheimischen niemals so machen.

Der Überfreundliche:
Überfreundlich verwickelt er einen in bisweilen lange Gespräche, insbesondere wenn er etwas Englisch kann. Kommt bei jungen Männern und Frauen besonders häufig vor. Gebietet man dem keinen Einhalt, hat man einen regelmäßigen Besucher. Bei den jungen Damen führte das bei mir dazu, dass ich kichernd von ihnen mit Keksen gefüttert wurden, manche flirteten irgendwann. Bei den Herren versuche ich sie auf Distanz zu halten, ein Taiwaner, der einem folgt und immer wieder mit rotem Kopf nervös viele Fragen stellt und kichert kann unheimlich nerven. Die Fragenkataloge, auch wenn ziviler ohne Kicherei vorgebracht, können bis hin ins Intimleben gehen. Hier ist die soziale Regel in Taiwan, dass man eigentlich durch offensichtlich unwahre Aussagen (z.B. "Wie viele Geschwister ich habe? Weiß ich nicht!") die Fragerei unterbindet und der Frager hört dann eigentlich sofort auf. Das funktioniert oft auch für mich als Ausländer, aber nicht immer. Manche Frager oder auch anderweitige Bewunderer haben sich soweit erregt, dass sie auf schwache Signale nicht mehr reagieren und immer weiter machen. Das kann dann bis in zum regelmäßigen Stalking evtl. mit Anfassen gehen. Nett bei der jungen hübschen Frau mit Keksen, sonst nicht. I.d.R. ohne sexuellen Hintergrund.
Reagieren sie nicht auf die schwachen Signale, bleibt nur das direkte Sagen "keine Zeit etc.". Oft bin ich dann grenzwertig unfreundlich, weil genervt, dann ist der Taiwaner der Meinung sein Gesicht verloren zu haben und ignoriert mich mit bisweilen eisigem Blick für den Rest unserer Zusammenkünfte.

Der Stalker:
Im Prinzip oben schon enthalten im Überfreundlichen. Ich habe es immer wieder erlebt wie die Freundlichkeit der Taiwaner in so einen immer wieder veranstalteten Ringelpietz mit Anfassen umschlägt und man von ihnen, wann immer man sie trifft mit Komplimenten überschüttet wird. Auch von Herren, was übrigens meist keine sexuelle Bedeutung hat. Manchmal erhält man noch bewundernde Emails, es kann unheimlich nerven und man ertappt sich beim "Radar"-Ausschauhalten, einen anderen Weg zu nehmen, um die Situation zu vermiden. Ist i.d.R. nur durch Konfrontieren von seinem Tun abzuhalten, s.o. oder auch durch Ignorieren der Email - was wohl auch Gesichtsverlust bedeutet. 

Der Freundliche:
Einfach ein Taiwaner, mit dem man etwas Konversation hat. Ich ertappe mich aber dabei, diese immer wieder abzuwürgen, da ich fürchte, einer der Stalkertypen könnte draus werden. Die Stalkermutation passiert nur dann und wann mal, beschäftigt einen dann aber für eine Woche oder länger. Daher bügele ich zumindest die Herren im Vorfeld nach Möglichkeit ab und wirke daher sicher oft unfreundlich auf die Leute.

Das "Englishy-Teacher"-Kind:
Kinder sind es gewohnt, dass die hier häufig vorkommenden jungen Amerikaner/Kanadier als Englischlehrer eine Art Entertainer für sie sind, denn sie müssen in den privaten Englischschulen für die Kinder herum kaspern. Also bestaunen sie einen oft in der Gruppe, lachen Kichern, eigentlich kein Problem. Bei zwei rot anlaufenden und "Hello"-sagenden etwa zwölfjährigen Mädchen habe ich freilich einmal fluchtartig einen Seven-Eleven - Supermarkt verlassen. Ich dachte, nicht dass ein Taiwaner das sieht und sonstwas denkt. Schuld an meiner Phobie war die Presse, die gerade von der Verhaftung irgendeines US-Pedo-Englichteachers berichtet hatte und ich hatte Sorge, das ein Beobachter.... (Weil man hier immer für einen US-Englischlehrer gehalten wird).

Die "Free English Conversation"-Eltern:
Hasse ich im Fahrstuhl. Eltern mit Kind, die wollen, dass ihr Kind Englisch mit einem redet. Das Kind ist genervt, meckert. Die Eltern bestehen drauf, dass es einen auf Englisch anspricht. Irgendwann sehen einen dann die Eltern vorwurfsvoll an, wenn man nichts tut. Ich sage dann meist "Hello, how are you" und atme sichtbar auf, wenn der Fahrstuhl sein Ziel erreicht hat.

Die "Can you teach my kid English"-Frager:
Gut, nicht schlimm. Ich sage immer, ich sei kein Englischlehrer und gehe weiter. Manchmal fragen Sie, was man denn in Taiwan dann arbeitet.

Die "Welcome to Taiwan"-Leute:
Man hat was im Auto liegen lassen und geht schnell noch mal runter, wird in Taiwan willkommen geheißen und gefragt wo man herkommt. Ich sage meist "von da oben!" oder "von da hinten!" oder wenn ich gut gelaunt bin "aus Deutschland", weil sie sowas erwarten. Eine junge Frau war mal völlig verstört und sagte das kenne sie nicht und guckte mich so skeptisch an als sei das mein Fehler irgendwie. Mild-nervig, kein Problem alles.

Die "Ah... you foreigners only eat Hamburger/drink Coke"-Leute
Man wird manchmal angesprochen nach dem "Where you from?", ob man immer Cola trinkt und nur Burger ist. Sie wollen also ihre Vorurteile über die unglaublich ungesunden Ernährungsgewohnheiten aller Westler, die ja bekanntlich alle wie Amerikaner sind, bestätigt haben. Ich gehe mittlerweile einfach weg an dieser Stelle. Wie muss das erst einen Franzosen oder Italiener nerven bei der guten Küche die sie haben. Passiert natürlich auch, wenn man wirklich mal Cola/gekochten Schinken/Käse/Burger oder ein offensichtlich mit dem Westen assoziiertes Nahrungsmittel in der Hand hat (Burger gegen "Ham" austauschen in der Frage).

Die "Gratuliere zur Ehefrau"-Leute:
Passiert einem wirklich manchmal, wenn man mit einheimischer Frau durch die Gegend läuft. Oft wird sie dann auf Chinesisch zum aktuellen Stand der Beziehung gefragt.

Die "Böse-Starrer":
Hatte ich irgendwo im Süden, als ich mit Frau händchenhaltend durch die Gegend ging und im Norden bei einem Immobilienmakler als die Angestellten am Nebentisch große Dosen Faxe-Bier hatten. Alkohol enthemmt und Taiwaner, die es gewohnt sind, immer freundlich zu lächeln und wegen der konfuzianischen Gesicht-wahren/immer-lächeln - Maxime ihre Gefühle sonst immer runter schlucken, können dann immer ganz anders werden. Wie im Dunkelangst Blog  zu lesen ist, kann das etwa in Bars das Vorgeplänkel zu einem in der Luft liegenden Angriff auf den Ausländer sein - beim Immobilienmakler bleibt es sicher beim bösen Gucken. Zahlreiche in Ausländerforum Forumosa.com dokumentierte Attacken auf Ausländer in Taiwans Nachtleben (immer wenn der westl. Ausländer sich für ein Mädel dort interessiert) machen klar, dass man das Starren nicht unbedingt ignorieren sollte an diesen gastlichen Stätten.
Sonst hatte ich es auf der Straße als hier ein junger Kanadier wegen gewerbsmäßigen Drogenimport (via Buchsendungen übrigens) verhaftet worden war.

Der Angsterstarrte:
Ältere Leute die, wenn man sie anspricht oder etwa in ihr Taxi steigt (also in ein Taxi mit älterem Taxifahrer), eine Angststarre bekommen. Geht bis hin zu völligem Verwirrtsein oder dem Nach-Gegenständen-schlagen (hingehaltenes Handy in diesem Fall).

Der Kicherer/Lachhans:
Paketdienstleute, Garküchenpersonal, Verkäufer. Lachen oder kichern haltlos und sind nicht in der Lage auch nur die einfachsten Transaktionen zu bewältigen. Sie lachen und lachen. Kann man nur weggehen. Grund ist, dass sie nicht wissen, wie sie beim Ausländer reagieren sollen oder es ihnen peinlich ist, kein Englisch zu verstehen (auch wenn man etwas auf Chinesisch sagen will) und daher den drohenden Gesichtsverlust (wie kann es sein dass ein Taiwaner schlechter Englisch spricht als ein Ausländer! Das darf nicht sein!) durch Lachen vermeiden. Das lernt man hier so. Wenn Gesichtsverlust droht immer Lachen.
Auch wenn mir manchmal ein neues Onkelchen vorgestellt wird, dann lacht er und lacht und lacht....

Der Nach-dem-Weg gefragte:
Dauf achten, ob sie wirklich sicher sind oder unsichere Körpersprache haben. Denn sie zeigen immer zielstrebig irgendwo hin, schließlich würde es Gesichtsverlust bedeuten, einem Ausländer gegenüber nicht im Bilde zu sein!

Der Blockierer/Rempler/Vordrängler:
Einfach ohne Schreien beschweren, in der Regel entschuldigen sie sich dann vielmals. Nicht aggressiv vorgehen. Hat zwar meist das gleiche Resultat, aber weiß, ob in Taiwans Nichtkonfrontativer Gesellschaft (vergl. "immer Gesicht wahren lassen!") für denjenigen nicht doch mal die Gefühlskontrolle versagt und dann muss man u.U. mit körperlichen Angriffen rechnen. Ist gerade neulich einer Ausländerin passiert, die sich bei einem Hundehalter beschwerte, sein Hund hätte sie angesprungen. Der Taiwaner schlug sie dann mit seiner Mineralwasserflasche - erfreulicherweise Kunststoff. Es war allerdings das Chinesische Neujahrsfest, da sind die Leute immer aggressiver als sonst und oft auch angetrunken.
Anders sind alte Leute, die drängeln. Da gibt es welche, die nutzen die Verehrung, die Alten hier entgegen gebracht wird, schamlos aus und drängeln und schubsen um als erste dran zu kommen. Man lässt sie machen, siehe auch unten. Wie heilige Kühe in Indien sind Alte hier...

Übellaunige Alte:
Selten, aber immer wieder, wenn ich irgendwo in einen Wohnblock ziehe. Alte Leute, die einen auf Chinesich böse funkelnd fragen, was man da oben im Haus gemacht hat, irgendwas unverständliches Murmeln und böse starren oder einen gar anschreien. Ich antworte auf Deutsch oder gar nicht und gehe möglichst schnell weg. Alte werden in Taiwan verehrt, man würde sicher Beobachter zum handgreiflichen Eingreifen veranlassen, sollte man es zur Rangelei eskalieren lassen. Bei den älteren Damen hier sind die schick zurecht gemachten immer neutral oder höflich.

Betrunkene Herren:
Werden in Taiwan schnell aggressiv weil sie die konfuzianische Gefühlskontrolle verlässt. Weggehen und nicht in Kneipen oder billigen Lokalen trinken.

Hello! Hello!
Ruft Hello! Hello! und man antwortet Hello!

Straßenverkehrs-Vollidioten:
Das sind fast alle taiwanischen Verkehrsteilnehmer. Hier fährt man frech und forsch, schneidet und hupt, drängelt und ist stocksauer und super aggressiv, wenn der genötigte sich beschwert. Nach Unfällen auch Ziehen von Waffen (Baseballschläger, Samuraischwert, Wagenheber), herbeitelefonieren von vielen Freunden etc. Ruhig und höflich bleiben, auch wenn es schwer fällt. Autos wirken auf die Herren hier wie Alkohol, sie verlieren ihre antrainierte konfuzianische Gefühlskontrolle und die sonst so freundlichen Leute können sich schnell in tobende Irre verwandeln. Auch bei Harmlosigkeiten wie Spurwechsel, der nicht so klappt wie sie es wollen.

Der Normalo:
Nicht ins Boxhorn jagen lassen, fast immer trifft man einfach normale freundliche Menschen, die sogar westliche Ausländer ganz gern mögen. Es sei denn man fährt Auto, dann trifft man fast nur.... ;-)

Scherzfrage, weil ich manchmal auch taiwanische Leser habe. Welcher Typ sind Sie ;-)
 

9 Kommentare:

"Ludigel" hat gesagt…

Oder findet sich gar ein Taiwaner, der mal die Ausländertypen hier katalogisieren möchte? Hashhippie aus Pitsburgh etc. ;-)

Tamasü hat gesagt…

Es fehlt definitiv der meist weibliche "I studied in America!" Typ.

"Ludigel" hat gesagt…

Der hat einen Master of Computer Science, kennt aber nicht das binäre Zahlensystem. In Californio studiert natürlich.

patrick_Secret hat gesagt…

haha jetzt fehlen nur noch die verschiedenen Arbeitscharaktere in tw das wäre auch noch interessant ;-)

ich werden immer als meguo-ren bezeichnet..

MKL hat gesagt…

Der starrende Betelnuß-kauer, der einen mit den Augen von vorne bis hinten durchscanniert, ist mir ein äußerst bekannter Genosse.

"Ludigel" hat gesagt…

Der Westler-sind-alles-Kriminelle - Typ. Gestern habe ich beim Gang zur Frühstücksbude einen Regenschirm aus meinem geparkten Auto geholt. Ein mittelklassiger Taiwaner, der sich wohl die Haare schneiden lassen wollte bei unserem 150NT-Frisör, starrt mich dabei an, als sei ich dabei sonstwas zu machen und macht dann ein Handyfoto von meinem Autokennzeichen. Ich dachte nur "ignorieren...ignorieren" es bringt nichts, sich mit jeder Flachpfeiffe hier auseinander zu setzen, sonst ist man den ganzen Tag beschäftigt.

"Ludigel" hat gesagt…

Stimmt, die Arbeitscharaktere wäre auch mal was...

Anonym hat gesagt…

Heute morgen hatte ich in Shuili südlich des Sonne-Mond-Sees noch den Hello-Typ. Leider konnte ich nicht zurückrufen, weil er zu schnell in seinem blauen Kleinlaster mit offenem Fenster davon brauste. Meine Frau meinte, dass er mich vermutlich gar nicht gemeint hat. Aber wer ruft wen sonst "Hello!" in Taiwan. Übrigens wird es in den Touristengebieten immer schwieriger noch richtige Taiwaner zu finden unter all den Urlaubern aus Singapur, Hongkong, Fujien, Beijing, Shanghai etc. und den Taiwanheimkehrern aus den Staaten. Gruß aus Siding, kurz vor Alishan, von Luo You

"Ludigel" hat gesagt…

Tja, die echten Taiwaner werden auch immer weniger.... ;-)