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Dienstag, August 07, 2012

Neues Stadtviertel gefunden (und Ludigel wird Italiener)

Es ist schon irgendwie peinlich, seit 2004 treibe ich mich ja in der Gegend hier bei Frau und Schwiegermutter in NeiHu, Taipei herum, aber sowohl Frau als auch mir (letztere nun ja fast ihr ganzes Leben "in der Gegend") ist ein recht adrettes Viertel gänzlich entgangen. Grund ist, das der einzige Zugang zu dem Viertel in der verbauten Kreuz- und Querbauweise eine kleine enge bürgersteiglose Gasse ist, die bis vor wenigen Jahren durch zwei vor sich hin gärende wilde Müllkippen garniert war - mitten in der dicht bebauten Stadt. Eine Garküche mit Straßenverkauf hatte keine zwei Meter vom duftenden Essen eine viel dufterende Sache, nämlich ihre Garageneinfahrt, die sie samt Garage in eine organische Müllkippe verwandelt hatten. Der Müll türmte sich meterhoch auf bis zum tatsächlich dort vorhandenen winzigen Bürgersteig und roch ekelerregend faulig, dass es mir immer den Atem verschlug. Erstaunlich - die Leute kauften nach wie vor das Essen dort, obwohl sich lecker Gebratenes mit fauligem Müllduft vermischte. Gleich daneben war dann ein Trümmergrundstück das etwas tiefer gelegen ward, so dass die Leute bequem ihren Hausmüll einfach herunter fallen ließen, was ebenfalls gärte bis zum Abwinken. Seit ein paar Jahren ist die Gegend deutlich sauberer, die Garküche produziert nur noch Schweineduft und man kann sich hin trauen, allerdings haben die Einheimischen wieder angefangen, das Trümmergrundstück zuzumüllen, einstweilen allerdings nur mit Plastikflaschen und Getränkedosen. Trotzdem lädt der Anblick nicht gerade auf einen Abendspaziergang ein, daher das Nichtwissen um das recht gepflegte Viertel.

"Taiwanschön" nenne ich sowas. Nicht wirklich schön und die Bürgersteige sind wieder mal vergessen worden, aber irgendwie relativ gepflegt und mittelalterlich dicht-an-dicht heimilig, so als sei wegen der Stadtmauer nicht viel Platz zum bauen. Nein, eine Stadtmauer haben wir natürlich nicht in Taipei, dafür aber einen Talkessel von Bergen umringt. Man achte auch drauf, wie schief zueinander die Straßen hier verlaufen. Man richtet Häuser hier nach "Feng Shui" aus, d.h. nach magischen Kraftlinien und derlei Zeug, erschnüffelt durch einen Priester. Und jeder schnüffelt halt in einer anderen Richtung.

Gefunden haben wir das Viertel nur, weil Frau und Schwiegermutter mal wieder planen, Schwiegermutter zur Gastwirtin zu machen und ein schlecht gehendes italienisches Restaurant (betrieben von Taiwanern mit keiner Ahnung von Italien aber hohen Preisen) zu übernehmen. Nun, die "europäischen" Restaurants hier haben ja Taiwankunden und bieten sehr taiwanisch interpretiertes Essen an und die Kunden wollen das auch. Manches italienische hat hier rein gar nichts mit italienischem Essen zu tun. Etwa Tintenfischgeschlunze mit Saugnämpfen und Reis und Chinakohl. Sowas kocht Schwiegermutter dann natürlich nicht. Come on, Spagetti Bolognese kann so schwer nicht sein.


In dieser Straße gibt es massenhaft gute Lokale, auch einen recht guten und günstigen Pseudoitaliener. Leider haben jedoch die "Götter", will sagen die beiden verhärmten Priesterinnen in Schwiegermutters Tempel entschieden, dass sie genau das in der Seitenstraße liegende Lokal ohne Kunden übernehmen soll. Na denn...
Die Entscheidungsfindung hier, wo "die Götter haben gesagt" eben eigentlich "die verhärmten alten Weiber aus dem Garagentempel haben gesagt" wird, erstaunt mich immer sehr.

Hoffentlich zerschlägt sich das ganze, sonst werde ich fürs Cocktailmixen Freitagnacht und "Ausländerflair" eingeplant, hat meine Frau gesagt. Na wunderbar, gele ich mein Haar zurück und nenne mich Commandante Schettino, Captain der Costa Cordalis im Ruhestand. Ein Schelm wer an den "pensionierter Atom-U-Boot-Kommandant"-Chef eines Burgerrestaurants denkt, in dem ich früher oft zu Gast war.

P.S.: Habe mich soeben erinnert, ich habe wirklich einen (angeheirateten) italienischen Onkel (oder hatte). Er hatte auch zurück gegelte Haare, das ist klar. Aber das verrate ich nicht meiner Frau.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ettone Rulpsetti wrote:

Nenn es doch "Ristaurante Bunga Bunga" und alle weiblichen Bedienungen tragen Krankenschweroutfit. Alle bis auf "Schwiegermutter" bitte.

Servietten mit der italienischen Kriegsflagge kriegst du ja überall(weiß auf weiß).

Anonym hat gesagt…

Rocco Steifreini wrote:

Ganze einfache, Seniore. Tust du knalle eine dunne Kottelette natur auf weiße Spagetti unde fertig isse die italiano Essen a la Taiwan. Mitte viele Chinakohl naturalmente.

Tamasü hat gesagt…

Da kommt das Gel vom Namen in die Haare, was bleibt, wird Luigi. Das kriegen dann auch die chinesischen Zungen fast ohne Laut-Entstellungen hin. Die zeternde (Schwieger-) Mutter ist dann gelebte Imageförderung.
Falls Du aber ein KO-Argument dagegen brauchst: Ehefrauen werden, sobald sie die 40 überschreiten, von Italienern gerne gegen Mittzwanzigerinnen ausgetauscht. Wenn schon, denn schon.

"Ludigel" hat gesagt…

Lugi, ach ja, klingt gut. Mein italienischer Onkel hieß merkwürderweise "Reier" mit Familiennamen, ob der so ganz echt war? Nun, er hatte mal gesagt er habe sich während der Nazizeit eingedeutscht nach Heirat mit Tante. Was ist das italienische Pendant zu Reier? Reierravioli?
Lassen wir das, war ein netter Onkel. Scusi, scusi....