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Freitag, Juli 19, 2013

Stinkparade

Fast wie die Loveparade. Nur mit Göttern und Suzukis.

Nach einem Besuch in Sams Roadies, einem US-Restaurant auf dem Lande, steige ich gerade aus dem Auto. Da höre ich technoartige Beats und sehe Xiaojies tanzen....



 Doch die jungen Männer begucken nicht die kurzbehosten jungen Damen, von denen gerade die letzten entschwinden, sondern...

... an diesem trüben Tage vor ein paar Wochen gilt ihre Aufmerksamkeit einer eigenartigen Prozession.

Nach ein paar religiös inspirierten Handwagen kommt ein Korso aus aufgedeichselten Autos angefahren. Ungewönlicherweise mal im Schritttempo anstatt wie sonst mit Irrsinnspeed in den schmalen meist bürgersteiglosen Gassen utnerwegs (det hier ist die Neben-Hauptstraße, die hat Minibürgersteige und ist etwas breiter).

Wer keinen aufgedeichselten Toyota hat nimmt eben den Handwagen oder so. Auch gut. Nein, ich lasse meinen zynischen Kommentare, denn hier lagen nicht nur wabbernde Abgase von katalysatorlosen PKWs in der Luft (und das riecht man), nein, hier ging es ja auch um Taiwans Götterhimmel.

Viele kleine Suzuki "Schuharton hochkant GTX" fuhren da herum. Die Taiwaner halten sie eigenartigerweise für sportliche Autos. Hmmm... Klein, hoch und mit Minirädern. Na gut.

Jau, det kommt schon eher hin....

In der nebligen Frühabendluft lag sogleich der Duft nach Abgasen. Man weiß in Deutschland übrigens gar nicht mehr, wie viel Gestank so ein Kat weg nimmt von den Autos. Hier in Taiwan riecht man jedes einzelne neue gut gewartete Auto sehr deutlich, wenn es neben einem lang eiert. Und erst recht einen ganzen Korso.

Hier hätte man gleich Gelegenheit für mulitkulturelle Anfeindungen, etwa in dem man den stolzen Eignern empfiehlt, statt Plastikanbauten und blauer Lämpchen einen Kat zu kaufen. Was sind das bloß für Räder hier unter dem Ding?

Anstatt eine Parade von Kastenautos zu organisieren würde ich es als "junger Vater" für besser halten, in den engen Gassen im Viertel Spielstraßen- und Tempo-30-Schilder aufzustellen und dafür eine Demo zu machen. Oder für Verkehrsberuhigung vor Schulen. Aber gut, das ist deutsche Denkweise, dem Taiwaner hingegen geht Mobilität über alles, auch wenn da manchmal kleine Kinder unter die Räder kommen, wie hier auf der Autolackierung.

 Ich gebe zu, im zugestauten, zugesmogten Taipei sind mir Autokorsos per se unsympatisch, insbesondere wenn sie nicht aus schicken Oldies, sondern trotz Bemalung eher langweiligen Gegenwartskarossen bestehen und während der Vorführung vor sich hin stinken.

Aber als Autofahrer(in) wird man in Taiwan eben noch nicht so an die Kette gelegt, wie die Lackierung hier vermuten lässt, was unter anderem für billiges Benzin zu 75 Eurocent den Liter oder so sorgt. Hat es mal gekostet, den aktuellen Preis weiß ich nicht mal. Ich sage ja immer "95 vollmachen".

Jau..... irgendwie ja schon hübsch bunt.

Eigentlich bin ich ja nur sauer, weil ich die Gogo-Girls verpasst habe und nur der Korso dieser Thunfischdosen übrig war für mich. Oder erinnern eher an diese Blechbüchsen für das Spam-Dosenfleisch.

Flaming Minivan für die ganze Familie. Bekam schon einen Schreck, wie sehr es aus dem Ding rausqualmte.

Nebelwerfer statt Kat, auch nicht schlecht. Dabei müsste der Fahrer nur nach taiwanischer Art ein paar Jahre die Wartung des Autos vernachlässigen, dann ginge es auch ohne Anbau.

Schon besser!

Hust. Man achte auf die Qualmwolken.

Entweder es ist was religiöses oder das ist der Verband der Verkehrsraudis, der für weniger Fußgänger demonstriert.

Die Parade hatte schon manchmal den Scharm eines Wohnungsumzugs, das will ich nicht verschweigen. Allerdings sind hier Götter, trotz ihrer göttlichen Allmacht, regendicht verpackt.

Ein Riesenhuhn war auch dabei...  (draufklicken auf die Bilder vergrößert)

Tonight I'll be sailing on Chicken Wings...

 In religiösen Dingen muss man immer tolerant sein. Jedenfalls wenn man gerade kein Kruzifix dabei hat.

War ja schon nett, der Umzug, jetzt wo die Autos weg waren.

Weibliche Götter waren glaube ich recht wenige dabei oder gaben sich jedenfalls nicht offen zu erkennen.

Ein vermummter Gott. In Deutschland würde sofort eingekesselt, oder?

...

Unter solchen VW-Bus-Attrappen steckt übrigens immer ein Suzuki oder Ford. Eine Firma in Kenting baut die Dinger um und klebt oft sogar VW-Schilder dran.

...


Hmmm... dieser Gott erinnert mich irgendwie an einen alten Kommilitonen. Arndt, was ist eigentlich aus dir geworden?

 Ich bewundere die Taiwaner natürlich schon für buddhistisch/taoistisch/konfzianische Religion in der Chinavariante mit Götterhimmel samt Jadekaiser an der Spitze. Übrigens soll der Buddhismus durch 2m große Europäer mit roten Haaren nach China gebracht worden sein, habe ich gerade im Spiegel gelesen. Sie kamen mit Ziegen, Schafen und Streitwagen, vermischten sich mit den lokalen Damen und sind ergo an allem Schuld. Heute liegen sie mumifiziert in roten Gewändern herum und man fragt sich was das alles sollte. Sehr viel Schriftgut mit indogemanischen Wurzeln haben sie hinterlassen. Einen Text hat man jetzt übersetzt: Ein Gedicht über eine getrennte Liebe, voller Herzschmerz und Sturm und Drang. Ja, mit den Xiaojies hat es auch schon vor tausend Jahren die selben Probleme gegeben.

Ernstaunlich was man so alles vor sich hin grübelt mit schwerem Burger im Magen. Oder eher beim späteren drüber schreiben. So, Zeit nach Hause zu gehen. Mach's gut Arndt, altes Haus.

P.S.: Die These, das wesentliche Grundzüge der chin. Kultur womöglich von buchstäblichen Langnasen eingeführt wurden, trifft bei Chinesen und sicher auch Taiwanern natürlich auf erheblichen Widerstand. Hier Wikipediainfo über diese alten indogermanischen Chinesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Tocharer, der Artikel im SPIEGEL 29/2013 (S.100 f.) geht aber noch wesentlich weiter, räumt aber Unstimmigkeiten in der Forschung ein. Die Mumien sind demnach 2000-4000 Jahre alt. Führend in der Forschung: Die Uni Wien: http://www.univie.ac.at/tocharian/?home_de 

1 Kommentar:

Hinrich hat gesagt…

Ah, der Blog ist ja noch da! Super, da öffnet sich das Fenster aufs Leben in Taipei wieder!
Die Geschichte mit den Ursprüngen irgendwelcher Zivilisationen ist echt emotional aufgeladen. Die Paläste aus Holz, die Dokumente aus Leder oder Pflanzenblättern - da hat nicht viel überlebt. Koreaner bilden sich gerne ein, dass die gesamte klassische Kultur des fernen Ostens eigentlich ihren Vorfahren zu verdanken wäre. Inklusive Konfuzius und "chinesischen" Schriftzeichen. Und für Historiker kommt erschwerend hinzu, dass fast jede Dynastie die vorhergehende schlecht geschrieben hat. Beispielsweise dadurch, dass man den früheren Herrschern barbarische Wurzeln angedichtet hat. Eigentlich sollte man "Geschichte" vor Napoleon überhaupt nicht so ernst nehmen...