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Donnerstag, Mai 10, 2012

Eingeborene erziehen in freier Wildbahn

Erst kürzlich las ich einen Artikel im Ausländerforum Forumosa.com, in dem ein Mitaußengeländer hier klagte, er käme gar nicht mehr raus sondern würde nur noch zu Hause in der Bude rumsitzen und ob es anderen auch so gehe. In der Tat war das Phänomen mir keineswegs unbekannt, seit Wochen schob ich schon einen Ausflug in die Natur auf, der eigentlich zum regelmäßigen Wochenendprogramm gehören sollte. Ich saß stattdessen in der Wohnung und sah fern auf dem Notebook oder konfigurierte an den Rechnern rum, wenn ich nicht gerade mit Junior beschäftigt war. Die Parks waren eine hundert Meter jeweils entfernt, also eine Entfernung, die ich sonst zu Fuß zurücklegen würde. Allerdings schreckten mich fehlende Bürgersteige, graue hässliche Fassaden, viel Verkehr und Abgasgestank immer so weit ab, dass ich dann doch in der Wohnung blieb. Taipeis Straßen sind in den gewöhnlichen Wohnvierteln hässlich und überfüllt, da will man bestimmt nicht herum laufen.
Die Lösung war natürlich offensichtlich, auch wenn es Antje Vollmer (lebt die eigentlich noch?) und Claudia Roth nicht gefallen würde, einfach rein in den SUV und in den Park fahren. Nun denken Sie vermutlich, ich hätte Junior und Frau mitnehmen sollen, allerdings saß die ganze Familie daheim bei Schwiegermutter in der abgedunkelten Wohnung vor dem Fernseher und sie da weg zu bewegen hätte mindestens eine Spezialeinheit des chinesischen Militärs oder größere Geldbeträge erfordert. In meiner Taiwanfamilie hier geht man nur irgendwohin wenn man einen geschäftlichen oder familiären Grund dazu hat und sieht sich ansonsten den taiwanischen Jubelfunk mit seinen Zisch- und Klingellauten auf der Mattscheibe an. "Brrrrr....kawu....dingdong", erschallte es als ich die Wohnung verließ und den ersten Park ansteuerte, einer mit See und Berg, wo ich sogar noch einen der letzten Parkplätze bekam. Kaum war ich oben auf dem Berge, klingelte das Handy und Frau fragte wo ich bin und war völlig konsterniert, was ich im Park täte und wen ich da treffen würde. "Niemanden" wäre die Antwort, der Bergpark war untenrum recht gut frequentiert, weil direkt an der Straße gelegen, aber obenrum völlig leer. Ein ungewohntes Gefühl so allein unter Millionen zu sein. Frau zitierte mich nach Hause zu einem Terminum beim Massagisten als moralischer Beistand, doch kaum dem Kneter enfleucht, schwang ich mich wieder ins Auto und düste an den Fluss...

 
Hier hinter einer Flutmauer, damit Taipei nicht absäuft wie sonst immer Bangkok, sind bessere Legowohnblocks zu sehen, die sicher sehr teuer sind und nicht so verkommen wirken wie die oft anzutreffenden Schlichthäuser in Taipei. Haben nicht so sehr dies graue Hühnerkäfiggitterflair. Niemand war weit und breit zu sehen, außer ein paar Arbeitern nebst Blue Truck hier am Sonntag, die irgendetwas reparierten. Vor der Flugmauer hingegen düsten die silbernen Toyotas emsig über den Asphalt.

Gleich daneben richtig teure Nobelhäuser, auch mein taiwanischer Bekannter, der BMW und Audi-Topmodell fährt, hat hier in dem Viertel sein Nobelapartment, sogar sein Vorflur im Treppenhaus ist samt Schuhschrank besser eingerichtet als meine ganze Wohnung, aber lassen wir das. Eigentlich ist sogar das Parkhaus dort hübscher.... äh ... never mind.


Unheimlich, es ist Sonntag 13 Uhr und kein Mensch ist hier auf den breiten Boulevards außer ein bis drei Radfahren irgendwo am Horizont. Und wozu die ganzen Ausflugsboote, wenn aber niemand da ist, außer einem kamerabewehrten Weißbrot?

Aha, da ist doch ein Einheimischer, mitten auf dem Weg. Nur was macht er dort? Stumm wie ein .... ist er und stellt auch keine Fragen, kein "where are you from?", "how much is your salary?" und "how is relationship with your wife?" wie sie sonst immer fragen. Typisch Einheimischer, mal wieder keinerlei Sicherheitsdenken wie wir es im Westen haben, liegt in der prallen Sonne rum und kümmert sich einen Dreck darum, ob er da überhaupt atmen kann.


Wie immer scheiterten alle Kommunikationsversuche an der Sprachbarriere. "There is water there! Hey you, go to the right-hand side! W-a-t-e-r. Schej oder wie immer ihr das sprecht hier in Osttellerrandinesien."

Es blieb erfolglos, ich habe den Kerl dann einfach ins Wasser geworfen, muss er seinen evolutionären Selbstversuch noch etwas verschieben. Ist schon voll genug hier, fehlt einem noch, dass in ein paar Jahrmillionen auch die Fische hier mit Mopeds herumfahren.

Leer und ruhig der ganze Park, bis auf die paar vorlauten Fische, im Hintergrund das Grand Hotel Taipei.

Frau war ganz konsterniert, was sich schon wieder im Park machte, als sie wieder am Handy war. Nicht, dass sie noch denkt ich hätte eine Freundin. Werde bei Befragung höchstens zugeben eine Freundin mit massiver Schuppenflechte zu haben....

4 Kommentare:

Karl hat gesagt…

Sonntags um eins - da ist doch in Taiwan Essenszeit, deswegen keiner am Fluss.

Anonym hat gesagt…

Wirrer Naturschützer wrote:

NEIN! Das ist ein singalesischer Landlurch. Auch Wanderkarpfengugelhupf genannt! Du Mörder!

Anonym hat gesagt…

So lang verheiratet, und noch immer voller gegenseitiger Überraschungen, wie schön.

"Ludigel" hat gesagt…

Ach so, Essen. Ich war vom Frühstück noch so satt... Aber viele Leute sind da nie. Werde mal gucken ob die Boote nachmittags in Betrieb sind, glaube es aber nicht. Liegen da wohl immer vertäut. Fotos waren um 13.20 Uhr gemacht, da rülpsen die Taiwaner gerade, das ist richtig.