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Montag, Dezember 17, 2012

Wohnung bei Tageslicht (Oh Schock)

Die neu gemietete Wohnung (http://bobhonest.blogspot.tw/2012/12/das-geheimnis-der-turwohnung-gemietet.html) wurde von mir nun auch bei Tageslicht besichtigt. Den versprochenen Fotobericht habe ich aber sein lassen, mein eigener Schock war hinreichend groß, dass ich das nicht machen wollte. Auch haben ja die werten Leser manchmal einen empfindlichen Magen, da muss ich an meine publizistische Verantwortung denken. Von Außen sieht die 70er-Jahres - Mietskaserne wie alle anderen Häuser in der Gegend aus, also eine schmutzig-grau-gelbliche Minifliesen-Fassade. Vergitterte Fenster überall, der Hauseinang mit Mopeds vollgestellt. Nähe Nightmarket, so weit so schlecht. Das Treppenhaus roch wenigstens sauber (ich kenne da auch Uringeruch und tote Käfer auf dem Rücken) und die Türklinke fühlte sich sauber an (ich kenne auch pelzig). Allerdings abblätternde Farbe und weggeworfene Papierli im Treppenhaus. Die Wohnung schlecht geschnitten, das Schlafzimmer (neben dem Wohnzimmer der einzig große Raum) zur Straße raus, zwei winzig kleine Zimmerchen, eher Abstellkammern, ein passables Bad und eine winzige, aber passable Küche. Ein Balkon nach vorne raus, aus dem man auf eine leidlich ordentliche Straße guckt, aber auch den Mopedgeruch vom Mini-Nightmarket erschnuppern kann (die Taiwaner kaufen und verhandeln vom Rücken des laufenden Mopeds aus). Nach hinten raus ein weiterer Balkon. Und hier geht der Horror los. Der Blick aus den hinteren Fenstern oder vom Balkon ließ am Abend nur die Fenster des fast nur auf Armlänge entfernten nächsten Wohnblocks erkennen, man sah laufende Fernseher und Hausfrauen beim Kochen, hinter Alcatraz-mäßig vergitterten Fenstern. Doch bei Tageslicht sieht man, dass es in diesem Wohnblock offensichtlich usus ist, alte Zigarettenpackungen und auch Plastik- und Papiertüten mit Essen einfach aus dem Fenster zu werfen. Die Müllgeschosse bleiben dann auf irgendeinem Wellblechdach (von den Gittervorbauten vor den Fenstern) hängen und rotten jahrelang vor sich hin. Mir drehte sich fast der Magen um, als ich die brauen Soße sah, die sich ihren Weg da aus den Papiertüten bahnte. In meiner alten Wohnung lagen dort nur Schlüpfer und Söckchen, fallengelassen-wordenerweise beim Wäscheaufhängen.

Die Wohnung erinnerte mich bei Tageslicht fatal an meine Behausungen in Taipei aus der Anfangszeit, wo ich solche Gesundheitsbeschwerden bekommen hatte, dass wir erstmal auf Land ziehen mussten. Leider hatten wir nicht die Zeit, lange zu suchen, denn unser bisheriger Vermieter bestand auf fast sofortigen Umzug wegen Eigenbedarf, trotz unseres erst wenige Wochen alten "Zwei-Jahres-Mietvertrags", der leider, wie alle Verträge in Taiwan, das Papier nicht wert ist, auf dem er gedruckt worden ist.

Meine Laune hält sich dieser Tage in Grenzen, zu Weihnachten ziehen wir aus und für meine Gattin ist die Wohnung tipp-top und Frau und ich haben da auch wieder mal einen Konflikt des Lebenshorizonts, denn für sie gibt es als mögliche Habitate nur die wenigen Straßenzüge ihres Soldatenviertels, alles andere ist von vorneherein ausgeschieden. Auch ich dachte auf die schnelle, die Wohnung ist akzeptabel, aber wehe das Tageslicht kommt.

Gut, ich werde wieder mal versuchen das Beste draus zu machen und werde in der neuen Behausung einstweilen verweilen. Der Gedanke an einen Rücksturz in die Heimat erscheint mir allerdings dieser Tage viel angenehmer als noch vor Kurzem, das will ich nicht verhehlen. Wenn der Juckreiz und Ausschalg wieder kommt, der mich die ersten Jahre (in solchen Schlichtwohnungen) in Taipei geplagt hat, ziehe ich entweder in eine der modernen möblierten Einzimmerwohnungen am Park neben dem Nobelvillenviertel (und wir werfen unsere teilweise neuen Möbel weg) und Frau logiert weiterhin bei Schwiegermutter und Junior, oder ich ziehe nach Hannover, Frankfurt, München oder sonstwo hin.

So.... bin mal gepannt wie die Woche weitergeht. Wahrscheinlich mit Käfern, aber damit sind nicht die von Volkswagen gemeint.

Genervt aus dem Taiwahn,
Ludigel

P.S.: Hatte gerade überlegt, in die alte Wohnung einen alten Freund aus Deutschland einzuladen. In die neue Behausung kann man aber wieder keinen reinlassen.

Update: Wie ungesund oder gesund ist es wirklich, in Taiwan zu leben? Für Einheimische sicher nicht besonders ungesund, denn nach dem CIA-Factbook hat Deutschland eine durchschnittliche Lebenserwartung von 80.07 Jahren und Taiwan von 79.35 Jahren. Geschlechtsspezifisch liegt Deutschland bei den Herren mit 77.82 gegenüber Taiwans 76,0 etwas in Führung, während Deutschland bei den Damen mit 82.44 gegenüber Taiwans 82.7 etwas kurzlebiger ist.
In Deutschland ist man also am besten ein Mann, in Taiwan eine Frau, statistisch gesehen jedenfalls. Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_life_expectancy 

Die saudumme UNO kennt in ihren Berichten wieder nicht Taiwan, sondern nur China, die ignoriert man am besten.

9 Kommentare:

Karl hat gesagt…


Was zahlt man denn für eine solche Wohnung?

"Ludigel" hat gesagt…

23.000 NT wollte der Vermieter und hat sich auf 21.000 NT monatlich herunterhandeln lassen. Kalt, d.h man hat noch Nebenkosten wie Verwaltungsgebühren beim Blockwart und zahlt Strom, Gas und Wasser selbst. "Kalt" sind die Wohnungen im Winter natürlich immer.

Die alte etwas größere Wohnung in viel sauberem Haus mit frischer Luft im 7. Stock sollte erst 25.000 NT kosten und frau hatte auf 23.000 NT runtergelandelt.

Ich hatte mal eine andere dort im viertel, wo das Badezimmer eine Ruine wie in einem Abbruchhaus war, direkt an der Hauptstraße und die Mieter alle betelnusskauende Dauerhämmerer waren, da hat es nur 16.000 NT gekostet ;-)

Karl hat gesagt…


21000 - Ups das ist viel. Ich zahl 25000 + Managentfee für ein neues Haus. Nachteil dort ist, das die weder Pool noch Gym aufmachen weil es irgendwelche Probleme gibt.

Anonym hat gesagt…

Taipei ist heftig überteuert. Das haben die Taiwanesen nun davon, wenn sie es Kapital aus den USA, HK und dem Festland erlauben, sich hier jede Menge Immobilien zu kaufen - und dann gibt es keine zünftigen Strafgelder, wenn solche Behausungen monate- oder sogar jahrelang leer bleiben.

"Ludigel" hat gesagt…

Karl: Ich habe auch immer von sehr viel besseren Wohnungen oder gar Häusern irgendwo gehört, aber das Universum meiner Frau besteht nur aus ein paar Straßenzügen in NeiHu und Chinatowns in Kanada, um das heute mal etwas gefrustet so im Klartext zu sagen ;-)

Beim ersten Riesenkäfer, der mir auf der Nase sitzt, bin ich am Flughafen und rufe Gattin dann von Frankfurt aus an, gacker...

Anonym hat gesagt…

lu er fu:
Tausch doch mit der schwierigen mutter

"Ludigel" hat gesagt…

Geht nicht, dann müsste Junior ja in der ***neuen*** Wohnung leben.
*** Neu *** as in *** unspeakable horrors ***

Anonym hat gesagt…

lu er fu:
junior bleibt in der sauberen wohnung. nachts bei papa und mama, und oma komt tagsüber zu jr. ist das nichts?
also unsere kaohsiung wohnung wird täglich gewienert. aus langeweile. zumindest bis ausgestreckter armhöhe. (Kühlschrank oben, Lampen usw. sind weiterhin mit staub bedeckt.) Trotzdem hatte ich schon die berühmten käfer in meinem tee. seither kommt alles von mir in den kühlschrank. oma lässt alles auf dem tisch bis nach dem abendessen. dann wird es mit klarsichtfolie abgedeckt und gekühlt. ich möchte nicht wissen was passiert wenn sie mit sohnemann runter zum tratschen geht.....und nachts, wenn man auf's wc muss und das licht anschaltet sieht man auch schatten über die fliesen huschen. einmal kitzelte es mich im rücken. karl der käfer war/ist zwischen den ritzen in den ledersofas. seitdem sitze ich lieber auf dem harten holzstuhl. wenn niemand da ist, nehme ich bayer und sprühe die wohnung ein damit. aber ich glaube die dinger sind unsterblich. man sagt, sie würden sogar einen atomkreig und den 21.dez. überleben.

"Ludigel" hat gesagt…

21. Dez? Ach so, na dann muss ich ja nicht mehr ausziehen...