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Montag, März 21, 2011

Taiwan-Gericht verurteilt Briten wegen Fahrerflucht mit Todesfolge

Das Gericht hat den Schotten pakistanischer Herkunft, dessen Wagen nachweislich einen einheimischen Zeitungsausträger nächstens vom Leben zum Tode befördert hat, zu 2 1/2 Jahren Gefängnis und -merkwürdigerweise- zur Zahlung von 5 Millionen Taiwandollar (umgerechnet 125 000 Euro) an Strafe wegen Microsoft-Lizenzverletzung verurteilt. Berufung kann eingelegt werden. Das Taiwanblog hat mehrfach über den Fall berichtet, zu letzt hier (http://osttellerrand.blogspot.com/2011/02/nur-entlastendes-uber-englischen.html). Wem das nun zur kühnen Schlussfolgerung verleitet, dass Microsoft in Taiwan ein Patent über betrunkenes Fahren besitzt (MS DRINK AND FUN 2007), der irrt, auch die neuste Ausgabe von MIDTOWN MADNESS, dem beliebten Rennspiel vergangener Tage, hat damit nichts zu tun. Das Gericht hielt es vielmehr für nötig den Bogen hin zur Firma des Angeklagten zu spannen, der scheinbar ein älteres Linzenzvergehen anhängig hatte. Nichts besonderes in einem Land, in dem wahrscheinlich sogar manche Gerichtscomputer keine gültige Lizenz haben, aber ein gefundenes Fressen für die Presse, die in einer beispiellosen Kampagne den Angeklagten schon vor vielen Monaten schuldig gesprochen hatte, öffentliche Termine mit "Zuschauer schlagen den bösen Ausländer" unter Polizeiaufsicht eingeschlossen.
Der Brite wird sich jetzt noch einem Zivilverfahren ausgesetzt sehen, bei dem die Opferfamilie, die von sich angibt, gänzlich erwerbslos zu sein und nur vom Zeitungsausträger gelebt haben will, umgerechnet eine Dreiviertelmillion US-Dollar verlangt.

Nach Prozessbeobachtern aus der Expatszene erfolgte die Verurteilung ohne schlüssige Beweise. Entlastend für den Briten war, dass die einzige Videoaufnahme (einer Überwachungskamera auf einer Kreuzung), die in dem Fall das Gesicht des Fahrers erkennen lässt, den Briten ganz klar auf dem BEIFAHRERsitz zeigt und einen Parkwächter (der als Chauffeur des Briten von dem Nachtlokal, in dem er getrunken hat, abgestellt wurde) am Steuer.

Belastend waren die Aussagen des Parkwächters/Fahrers, der angab, er habe das Steuer schon nach ein paar Minuten wieder an den Briten übergeben, der ihn aus dem Auto geworfen habe. Diese Aussage wurde zwar von Aussagen von Kollegen des Parkwächters untermauert, allerdings wurden diese Zeugen im Prozess teilweise in Handschellen vorgeführt, weil sie als Teil einer Unterweltkneipe mittlerweile teilweise in andere Strafverfahren involviert waren. Widersprüchlich sollen die Aussagen der Angestellten gewesen sein, erklärte ein Expat-Prozessbeobachter und einer der Herren solle gar gesagt haben, er wolle mit der alten Geschichte nichts mehr zu tun haben. Ein Video aus der Nachtbar sollte die frühe Heimkehr des Parkwächters belegen, erwies sich aber im Prozess als unbrauchbar oder gar manipuliert.

Offensichtlich schenkte das Gericht den halbseidenen Gesellen trotzdem Glauben und verurteilte den Ausländer, was dem Richter sicherlich den hochgekochten Volkszorn in diesem Fall erspart.

Wer nun schuldig ist, das weiß ich auch nicht. Der Brite war zumindest dumm, in einer Puffbar Taiwans bis zur Besinnungslosigkeit zu trinken, da muss man sich nicht wundern, wenn in diesem rechtsfreien Raum (Unterweltterritorium, da hält sich die Polizei raus) ein böses Spiel mit einem getrieben wird, wenn man sabbelnd in der Ecke sitzt. Dumm auch, den Unfall am nächsten Morgen (als er erst erwacht sein will und den Unfall das erste Mal festgestellt haben will) nicht anzuzeigen. Allerdings gibt er an sein Zechkumpan, den er für einen potentiellen Investor gehalten habe, habe ihn gebeten den netten jungen Parkwächter nicht mit einem Bagatellunfall zu belasten. Angeblich wussten da weder Trinkpartner noch Brite, dass ein Todesfall vorlag, weil der Brite die Fahrt besinnungslos auf dem Beifahrersitz verbracht haben will.

Eine undurchsichtige Geschichte in Taiwans Hinterhof-Spelunkenmillieu. Mir kommen allerdings erhebliche Zweifel an der Schuld des Angeklagten, wenn denn wirklich, wie von den Prozessbeobachtern geschildert, nur das entlastende Video als verwertbare "Zeugenaussage" zur Verfügung steht. Und die Version des Ausländers könnte sich, wenn man zu Gute hält, dass jemand so säuft, dass er völlig die Kontrolle verliert, tatsächlich so abgespielt haben.

Unheimlich war mir insbesondere wie leicht die Presse die sonst so freundlichen Taiwanesen in einen ausländerhassenden Mob aufputschen konnte, da gab es für einen anderes Urteil keinen Raum mehr, auch wenn das ermittelnde Polizeirevier selbst in einen Korruptionsskandal mit dem Puffbar-Millieu, in dem auch der Brite getrunken hatte, verwickelt war. Eine Sternstunde Taiwans.

Quelle: http://forumosa.com/taiwan/viewtopic.php?f=21&t=88176&start=290 

Videobericht: http://www.nma.tv/english-expat-sentenced-hit-run-case/

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