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Montag, Februar 14, 2011

Englischer Todesfahrer vor Gericht in der Tailightzone

Update: Der Angeklagte wurde zu mehr als 2 Jahren Haft verurteilt, geht aber in die Berufung.
Außerdem wurde er im selben Verfahren zu einer Strafzahlung wegen der Windowslizenzen verurteilt.


Wenn Fred-Tsao Chen, seines Zeichens Taiwanese in Deutschland einen Autounfall hätte und der Fahrerflucht verdächtigt würde, weil sein Uralt-Mercedes oder von mir aus auch Toyota mit eingedellter Front vor einem Schrotthändler in der Stadt stehen würde und eine Überwachsungskamera Chens Auto zufällig beim Crash gefilmt hätte, wie er einen Zeitungsausträger auf dem Fahrrad auf die Hörner nimmt und ins Jenseits befördert, Herr Chen könnte sicherlich auf ein faires Verfahren hoffen, auch wenn er eine Hardwarebude in Deutschland hätte und etwas Geld verdient. Allenfalls wenn er Chinese und nicht Taiwanese wäre könnte ich mir eine Bild-Schlagzeile auf einer hinteren Seite Marke "Reicher Chinese fährt Zeitungsjungen tot" vorstellen, sicherlich aber anonymisiert. Ähnliches würde sicher gelten, wenn Fred-Tsao Chen in England das selbe Problem hätte.


Unter Diktator Chiang* war der Verkehr viel ruhiger...

In exakt der Unfallsituation, sans die Fairness, war ein Engländer, der in Taiwan einen Autounfall hatte, das Taiwanblog hat mehrfach berichtet (zuletzt hier: http://osttellerrand.blogspot.com/2010/05/update-zum-vermeindlichen-englischen.html).  Der Engländer Z.D., in der unseligen Taiwanpresse immer mit vollem Namen, Firmennamen und Foto genannt, hatte die Nacht mit einem Geschäftspartner in einer von Taiwans Karaoke-Puffbars durchgesoffen und war dann in einen tödlichen Unfall verstrickt, mit einem Zeitungsausträger auf dem Moped. Von Anfang an erklärte er aber seine Unschuld an dem Unfall, erklärte diesen komplett im Vollrausch auf dem Beifahrersitz verschlafen zu haben, während ihn ein Barangestellter nach Hause fuhr und er habe den Unfall deshalb nicht gemeldet, weil ihn sein Geschäftspartner gebeten habe, wegen einer Beule im Auto (der Todesfall will dem Engländer nicht bekannt gewesen sein wegen Verschlafens des Unfalls) nicht gleich seine Lieblingspuffbar anzuschwärzen. Weil der Mercedes um die 20 Jahre alt war wurde er eben kurzerhand an den Schrott verkauft. Mag man glauben oder nicht, aber was dann passierte in Taiwan ist beispiellos.

Die Polizei präsentierte den Engländer als reichen Ausländer, der einen armen Einheimischen totgefahren habe, der sich rührend um seine erwerbslose und schwerkranke Familie kümmere. Der reiche Ausländer mit tollem Bonzenauto sei noch so unerschämt, seine Schuld nicht zuzugeben und habe der Familie kein Blutgeld angeboten, gefordert wurden angeblich 100.000 US-Dollar, auch das Doppelte wurde bisweilen genannt. Die Familie bekam Gelegenheit, den Engländer und seine Frau tätlich anzugreifen, unter Polizeiaufsicht, wie das hier so üblich ist. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den Engländer auch noch wegen nicht mehr gültiger Windows-Lizenzen auf den Firmencomputern und die Presse bauschte das zu einem Skandal auf, und das in einem Land in dem so ziemlich kein Rechner gültige Lizenzen hat.

Täglich flimmerte das Bild des Engländers über die Mattscheibe, Firmenname eingeblendet und seltsam unisono erklärten meine Frau und auch eine einheimische Leserin dieses Blogs fast wortgleich etwas wie "was der sich wohl denkt, wie wenig ein taiwanesisches Leben kostet" etc. Heiß pulsierte das einheimische Blut, noch heute würde meine Frau den Ausländer am liebsten sofort zu 100 Jahren Intensivhaft mit angesetzten Elektroden in der Klärgrube verdonnern.

Tja, nun steht er vor Gericht. Laut ausländischen Prozessbeobachtern (http://forumosa.com/taiwan/viewtopic.php?f=21&t=88176&start=260) gibt es bislang keine Beweise gegen ihn. Die Polizei hat nur ein Überwachungsvideo, das den Engländer auf dem BEIFAHRERsitz seines Autos zeigt. Aussagen der Kollegen des Barangestellten, der laut Aussage des Engländers gefahren ist, aber von seinen Kollegen geschützt wird, seinen nicht verwertbar und im Prozess sei sogar einer dieser ehrenwerten Angestellten in Handschellen (!) vorgeführt worden, weil er wegen eines anderen Verbrechens verurteilt wurde oder vor Gericht steht. Außerdem hat, wie bereits hier im Blog berichtet, das ermittelnde Polizeirevier mehrere Ermittlungsverfahren am Hals, weil es Schmiergelder von Betreibern von Puffbars entgegengenommen hat.

Tja, ist der Engländer nun schuldig oder nicht? Sind wir mal gespannt. Bei solch ordentlichen Behörden kann man sicher beruhigt sein, dass alles seinen "formosen" Gang geht und das Gericht die konfuzianische Wahrheit findet. Ich weiß nicht ob er es war oder nicht und ob noch Beweise erbracht werden, aber die korrumpierte und schlampige Polizeiarbeit in diesem Fall sind sicherlich erstaunlich. Der Engländer sagte übrigens, er sei anfangs vom Haken gewesen während der Vernehmung auf dem Revier, als dann aber der Betreiber der Puffbar kurz vertraulich mit den "Beamten" gesprochen habe, habe sich die Schuldlage plötzlich vom Puffbarfahrer zu ihm verlagert.

All das soll nicht etwa den Eindruck vermitteln, Taiwan sei ein Verbrecherland. Taiwan ist friedlich und Ausländer werden willkommen geheißen, Straßenkriminalität gibt es praktisch keine. Jedoch sind Revierpolizisten hier .... anders ... als man das von Zuhause kennt. Und wer sich dem Nachtleben verweigern und beim Fahren aufpasst, hat nichts zu befürchten. Sofern man das Letztere überhaupt kontrollieren kann.

* mit Namen durcheinander gekommen. Vorher stand hier Chen. Der war aber nur korrupt, nicht diktatorisch, gell.

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