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Freitag, Oktober 07, 2011

Reihenhaus für Nomaden

Dieser Tage fällt mir auf, dass ich unser Reihenhaus in Taiwan auf dem Lande ganz und gar nicht vermisse, so angenehm ruhig ist es in meiner Militärveteranenwohnanlage, wo ich mit drei pensionierten Generälen (mit nur ein oder zwei Sternchen, sagte unser Vermieter, aber das ist ja auch schon was, gell) auf dem Flur wohne. Mein Reihenhaus lag in Jhongli, neuerdings auch Zhongli geschrieben, gesprochen zwischen "Dshongli und Dshungli", mir kam das immer vor wie eine Kurzversion von "Mogli aus dem Dschungelbuch".

Erzählen wir mal eine hypothetische Geschichte von einem Ausländer namens "Bob", der in Taiwan auf dem Lande wohnte. Rein hypothetisch das alles, selbstverständlich.

 Unser alter Hunderettungsopel in Hundefutterinesien :-)

Nett wäre Bobs Reihenhäuschen ja, aber teuer wie ein Deutsches, schmaler und mit dafür mehr Stockwerken und ohne Heizung und Keller und einen Garten gäbe es auch keinen. Ziemlich üblich für Taiwan, wo Grundstücke teuer sind. Relativ ruhig könnte es am Schluss gewesen sein, hatte Bob doch auf den Nachbarschaftsversammlungen sonntägliche Ruhe vereinbart und sogar eine Geschwindigkeitsverminderung der durch die Gasse knatternden Lastwagen der nahegelegenden Spedition durchgesetzt, da dachte er vielleicht auch an die vielen spielenden Kinder. Nervig blieben die Feuerwerkskörper, die viele Nachbarn stets und ständig abschossen, in diesem hypotetischem Dorfe, meist auf ihre eigenen Zuchttauben, was wohl ein Training für wettenbehaftete Wettflüge wäre. Nervig die besoffenen Autofahrer ohne Licht des Nachts, die aus der nahegelegenen illegalen Spielbude kämen, in der manchmal die Herren, angeführt von kräftigen ganz in schwarz gekleideten Herrschaften mit Golduhr, zu Omnibusfahrten mit unbekanntem Ziel aufbrächen. Einmal nur mit einer Dame dabei, der armen Frau.

Esszimmer im echten Casa Ludigel, siehe "falsch geschriebenen" Namen an der Wand

Dicke schwarze Limusinen a la S600 oder 750iL deutschen Fabrikats führen nur die Häuptlinge, wären aber freundlich, wenn man sie bäte ihren Wagen wegzufahren (wegfahren zu lassen), der Bobs zugeparkt hatte. Alles beschützt vom lokalen Exbauern, der sich abends eine Polizeiuniform anzöge und mit einem kleinen Streifenwagen die fünfzig Meter zu seinem Nachbarschaftspolizeirevier führe, wo er gemütlich fern sähe.

Hakka seien die Leute dort in Jhongli, sagte einst mein immer verzweifelter Chinesischlehrer und damit Nomaden aus China. Na ja gut, Nomaden in Reihenhäusern, was will man mehr.

Vor unserer real existierenden Hausreihe (Hintergrund) ausgesetzte Hündin, ehemals als Legemaschine missbraucht, ausgesetzt als sie Herzwurm hatte, mittlerweile von uns aufgenommen und den Vornamen unserer Bundeskanzlerin habend (reiner Zufall, meine Frau hat ihn ausgesucht). Hausreihe im Hintergrund zu erkennen.


Ein Klischee vom Leben auf dem Land ist sicherlich, dass dort alle miteinander verwandt sind - und hier im fiktiven "Dschungeli", wo Bob wohnte, träfe es wirklich zu, jedenfalls in seiner Häuserreihe. Der Bauer, dem dort die Grundstücke gehörten, hätte nämlich einen Teil seines Hofes verkauft und dort die Reihenhäuser bauen lassen, diese dann wiederum im Paket bis auf zwei Häuser zurückgekauft und an seine Familie verschachert, typtisch taiwanisch-raffiniert, hätte er doch so einen Vorzugspreis bekommen. So wäre Bob überall vom Familienclan des Exbauern umgeben, Hakkakakakaka also, nicht nur Hakka, so viele wären es.

Am Herausragendsten würde eine fiktive Nachbarin zur einen Seite sein, die mit Mitte Fünfzig immer nur in hochhackigen Pantöffelchen herumstiebelte, dabei aber eine Stimme wie ein Bundeswehrspieß hätte, wenn mir die dichterische Freiheit soweit erlaubt ist und immer nur schreien könnte. Viele Dinge verschwänden aus Bobs Garten, oft wäre die Nachbarin, nennen wir sie "Nessie" in der Nähe, unter anderem Bobs Armbanduhr, die Nessie am nächsten Morgen tragen würde. Wasser wurde während des Urlaubs abgezapft, Post verschwände aus dem Briefkasten und die Stromrechnung wäre oft komisch hoch, bis Bob die Steckdose oben auf der Dachterrasse abschaltet und auch den Wasserhahn dort schließlich entfernt.
Nessie wäre in das Verschwinden von Bobs kleinem Hund verwickelt, hätte dann eine wilde Geschichte dazu zu bieten, vielleicht hätten den Hund aber auch andere Nachbarn gefressen, denen man zugucken könnte, wie sie liebe kleine Hunde, mit denen sich Bob auf ihren spärlichen Ausflügen anfreundete, in Käfigen mästeten, bis sie im kalten Winter verschwänden. Bei Landeiern sind Hunde zu Winters eine Delikatesse, sie sollen den Leuten angeblich das Fell wärmen.

Bürgerlicher Idylle inklusive altem Opel im fernen Osten. Hat aber nichts mit dieser wilden Geschichte zu tun, wir hatten ganz liebe Nachbarn


Nessie wäre ein wesentlicher Grund für Bobs späteren Wegzug, sie klaute zwar nie bei anderen Nachbarn, wohl aber in der Stadt, wo sie einmal erwischt würde und dass Bob und Frau bei ihr im Klaufokus stünde, würde ihm im Verlaufe dieser wilden Geschichte mehr und mehr Sorgen machen. Denn Nessis Sohnemann, der grimmig gucken würde, grimmige Freunde hätte, alle um die Zwanzig und mit aufgemotzten neuen Autos fahrend, würde fast täglich von Nessie von der Polizei ausgelöst - so würde sie Bobs Frau auch noch erzählen. Aufmerksam beobachteten dann die fiktiven Nessieleute Bob, jede Bewegung würde von ihnen aus den Augenwinkeln wahrgenommen und so wollte Bob schließlich seinem Junior, dessen Geburt anstünde, nicht auch im Fokus der fiktiven Nachbarn haben.

Anfangs wäre Nessie mit einer Frau Bettpfann befreundet. Frau Bettpfann wäre zwar keine Reiseleiterin wie Nessie, aber Herr und Frau Bettpfann wären zwar sehr nett, hätten aber einen Baustellen-Nachbereitungsbetrieb in dieser Fantasiegeschichte, genau wie "Herr Nessie" und verwandelten die ehemals idyllische Landschaft hinter Bobs Hausreihe in eine komplette Müllkippe aus Glasscherben und kaputten Plastiklichtschaltern. Frau Bettpfann hätte in dieser Erzählung auch eine extrem laute Stimme und als sich Nessie und Frau Bettpfann noch mochten, schallte oft um 5.30 Uhr morgens ein freundliches Schnattergeschrei jeden morgen inklusive Sonntags durch die Gasse. Nur als Herr Bettpfann irgendwann in einem Laden für einen Komplizen von Nessie gehalten wurde, so geht die Geschichte weiter, weil er völlig ahnungslos in ihrem Gefolge gesehen worden wäre, da wäre es dann mit der Freundschaft der beiden Lautsprecher vorbei.

Herr und Frau Bettpfann wären als Hobby Fäkalbauern, das heißt sie sammelten massenweise Scheiße in blauen Eimern hinter ihrem Haus und gössen diese dann hinter Bobs Küchenfenster aus. Die beiden Fäkalartisten düngten so ihr Gemüsefeld. Da Herr und Frau Bettpfann keinerlei Tiere hätten, könnte man sich schon fragen, wo sie soviel Schiss her hätten. Komische Geschichte. Und nicht ganz geruchsfrei.

Die anderen Nachbarn wären nett und weniger auffällig, aber nach all den Geschichten würde Bob, der natürlich nichts mit realen Personen zu tun hat, das Reihenhaus sicher nicht vermissen.

Die netten Käufer des Hauses würde das alles nicht stören , denn erfahrungsgemäß sind Taiwaner gegen Geruch und Krach völlig resistent. Und im Vergleich zu anderen Gegenden, die ich im Taiwahn kennengelernt habe, wäre diese ausgedachte hier sogar recht ruhig. Und Nessie hätte ja nur ihre Ausländernachbarn beklaut, verbreitete oft, Bob sei "Gangster" und sei reich (klar, deswegen hat er auch das Reihenhaus direkt neben ihrem).

Nun reicht es aber mit dem Unsinn, sogar im Taiwahn zu dröge als Exposé für einen Roman. Und Ente ist eben Ente.

1 Kommentar:

Miri hat gesagt…

;-D