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Dienstag, Januar 07, 2014

Eingewöhnen an das neue Familienmitglied

Irgendwo gehört ein Auto ja zur Familie, schließlich sieht man ihn täglich und kann sich im Idealfall immer auf ihn verlassen. Entsprechend schwer fiel mir die Trennung von unserem alten (2005er) Nissan X-Trail, der mit seinen neuen Stoßdämpfern auch bei 205.000 km immer noch wie ein Neuwagen durch die Gegend rollte. Doch die Notwendigkeit unseren Kindersitz zu ersetzen (zu klein und wegen Vorbesitzern nun 10 Jahre alt*) führte schnell zum Wunsch eine Isofix-Kindersitzhalterung nach Stand der Technik zu haben, die unser Nissan nicht hatte (weil er made-in-Taiwan war und made-in-Taiwan - Autos immer mal gerne ein paar Sicherheitsstandards weglassen, wegen Cost-Down, wurde meine Frau in taiwanischen Foren belehrt). Schnell entwickelte meine Frau ein absolut teutonisch anmutendes Crashtest-Bewusstsein, so dass am Ende nur die sichersten Autos in der SUV-Klasse in Frage kamen. Wir hatten ökobewegt auch Kombis in Erwägung gezogen, bekamen SUV-gewöhnt aber immer Platzangst in den Dingern, also waren wir schnell wieder auf SUV eingenordet. Öko ist ja nur in Europa, hier ist Asien. Mal ehrlich, die Autos hier haben ja nicht mal einen Kat.


Nachdem der noch in der Auswahl befindliche Subaru Forrester (Vordergrund) wegen Ölverlust-Horrorstories ausgefallen war aus der engeren Wahl, wurde es dann also der Volvo, hier dezent hinter dem Subaru geparkt. So ein Europäer legt halt in Taiwan wert auf seine Privatsphäre. Mich versetzte sowieso der Umstand in Angst und Schrecken, dass beide Autos in der Benzin-Basisversion einen 2-Liter-Turbo mit 240 PS hatten - wo soll man mit den ganzen Pferden bloß hin? Jetzt hieß es erstmal eingewöhnen an den Schweden. Früher hätte ich ja gedacht, ein Europäer, der in Taiwan einen Volvo fährt, muss in der schwedischen "Botschaft" arbeiten. Aber es geht offensichtlich auch so. Jetzt heiß es, vor lauter protestierend piepender Assistenzsysteme und roter Balken in der Windschutzscheibe zum gemütlichen Fahren zurück zu finden, trotz oder gerade wegen der Hilfe durch den Touchscreen. Bald wollen die Autos allein fahren, da habe ich keinen Zweifel, so viel wie der Volvo wegen nicht eingehaltener Fahrspuren oder zu wenig Abstand herum meckert. Im Vergleich zum X-Trail ist unser XC60 T5 außen größer, wie ich immer wieder beim einparken den Eindruck habe, innen aber geht es subjektiv etwas beengter zu. Möglicherweise liegt dass am Schwedenstahl in den Türen (autsch, schwere Tresortüren in Vergleich zum Nissan) und dererlei Dingen. In der Tat erzeugt der Volvo schnell eine Art Abschirmungsgefühl, man fühlt sich subjektiv sehr hoch sitzend (auch im Vergleich zum Nissan) von einem beruhigenden Stahlkäfig umgeben. Beim Tritt aufs Gas ist der Volvo erst ähnlich behäbig wie mein alter 150-PS-Nissan. Wenn man jedoch ein bisschen mehr drauf tritt, wundert man sich leicht, wie viele Pferde da sonst was tun wollen. Schon ganz angenehm beim Überholen im Stadtverkehr.

Subjektiv fahre ich mit dem Volvo trotzdem ruhiger. Ich hatte ohnehin schon den Eindruck, dass es in Taiwans Verkehr sehr um den Status der Autos geht. So schienen mir europäische Karossen schon immer ein nicht unerhebliches Drängel- und Überholprestige auf den vollen Innenstadt-Expressways Taipeis zu genießen. Kam ich mit meinem braunen Nissan an und wollte irgendwo einscheren, machten die Autofahrer zu und krochen sich gegenseitig in den Auspuff, damit ich ja draußen blieb. Kam dann ein silberner BMW X5 oder sogar ein braunmetallener Golf angerast (in Taiwan sind Golfs eher Sportwagen als Normalautos!), ließen sie ihn rein. Ganz extrem hatte ich das einmal mit einem Porsche Panamera erlebt, der mir auf der Stoßstange klebte, als ich im zähfließenden Verkehr kaum voran kam. Ich ließ ihn überholen und vor ihm teilte sich der dichte Verkehr wie das Meer vor Moses.

So nett sind die hiesigen Autofahrer zu mir im schwarzen Volvo nicht, aber ich habe den Eindruck, als würden sie mich weniger belästigen auf die sonst taipeitypische aggressive Art und Weise. Weniger wird offenbar versucht, vor meinem Kühler (oder fast in den Kotflügel) einzuscheren, wie früher. Weniger oft klebt mir jemand auf der Stoßstange - LKWs und manchmal Taxen ausgenommen. Offenbar räumen sie dem Volvo einen höheren Status ein. Na, mir soll's recht sein, obwohl ich eigentlich eher ein egalistischer Mensch bin. Ein bisschen mehr Ruhe nimmt man gerne hin.

 
Die Schokoladenseite ("Marabu sida") des Volvo ist wohl das Heck, das hübsch ansteigt, um in einer elegant geschwungenen großen Rückleuchte zu enden - hier mit einem gefürchteten kleinen "Blue-Truck" im Blick (deren Fahrer gesetzlich verpflichtet sind, unter Einfluss von Uppern, Downern und Betelnuss zu stehen). Allerdings führt das hoch gezogene Heck in Kombi mit den taiwantypisch dunkel abgeklebten Seitenscheiben dazu, dass man im Toten Winkel kaum etwas erkennt beim Spurwechsel. Aber andererseits hat der Volvo dafür eine orange Warnleuchte. Die Suche nach Fussgängern bei Abbiegen ist im Volvo viel angenehmer jedenfalls, denn ich habe mir bei ihm die vorderen Seitenfenster von dunkler Folie frei halten lassen. Beim alten Auto konnte ich Fußgänger beim Abbiegen immer mehr erahnen vor lauter schwarzer Folie.


Nett der Innenraum, auch wenn im Vergleich zum Nissan wenig Ablagen da sind. Unter anderem ist hinter der Mittelkonsole ein großer Hohlraum, den man aber irrsinnigerweise nur von den Seiten aus erreichen kann. Und alles was man rein legt, fällt sofort wieder raus, eventuell hat man es dann unter dem Bremspedal klemmen. Den Alko-Tester könnte man da zum Wiederaufladen anbringen, wenn man einen hätte, sagt die deutsche Bedienungsanleitung. Na, den brauche ich unbedingt vor lauter warmem Tee.
Gut die praktischen Drehregler, endlich wieder wie in den 80ern, wenn auch jetzt elektronisch. Mein Nissan hatte unpraktische kleine Tasten, die immer langes Blickabwenden von der Straße erforderten (in der Taiwanversion, der deutsche X-Trail war anders).

Taktische Diagramme, die feindliche Romulaner-Warbirds anzeigen hat er auch. Kommt irgend jemand dem Volvo zu nahe, geht empört der Monitor in der Mittelkonsole (nicht im Bild) an und der genaue Ort der Verletzung der schwedischen Hoheitsrechte wird angezeigt in Grün, Gelb, Orange oder Rot . Kommt einem an der Ampel ein Moped zu nahe, geht obendrein manchmal noch eine ohrenbetäubende Sirene loß (Verteidigungfall: "nu försvara!").


Und das wichtigste von allem: Junior hat seinen japanischen Takata-Midi-Kindersitz mit Isofix, Testsieger im deutschen Test (von "Test.de"). Nicht etwa in Japan gekauft (die wollten nicht nach Taiwan liefern), sondern in den Niederlanden, die ihn an meinen tschechisch-deutschen Post-Weiterleiter (Mailboxde.com) geschickt haben, der ihn nach Taiwan geschickt hat. Riesiger Aufwand für Junior mit hohen Versandkosten, aber wenn ich den Preis für den Volvo auch noch auf den Kindersitz drauf rechne, wird es sowieso der teuerte Kindersitz überhaupt. 

Und was sagt Junior dazu? Er sagt "Auto" wenn er den Volvo sieht, exakt das selbe, was er beim Anblick des Nissans gesagt hat. Undankbarer Sprössling....



* Kindersitze soll man i.d.R. weniger als 10 Jahre benutzen, weil der Kunststoff einer Alterung durch UV-Licht ausgesetzt ist

11 Kommentare:

Tamasü hat gesagt…

...weil der Kunststoff einer Alterung durch UV-Licht ausgesetzt ist.
Hm. Aus welcher lokalen Soap-Opera hast Du das denn? Lagerst Du den Kindersitz unter freiem Himmel? Oder hast Du eine keimtötende UV-Licht-Lampe im Auto? Mantafahrer?
Das durch Autoscheiben noch nennenswerte UV-Anteile durch diffundieren, ist mir neu. Ob die schwarze Fensterfolie vielleicht UV-verstärkend wirkt?

"Ludigel" hat gesagt…

Tja, ein Experte bin ich nicht. Die Bedienungsanleitung des neuen Sitzes redet von 9 Jahren wegen Materialalterung. Sicher haben die ein Interesse dran, schon klar. Kunststoffe in Autos wirken nach Jahren durchaus verbraucht oder verändert - achte mal drauf, wenn ein Auto 10 Jahre gefahren wird.
Ein Taiwanforum enthielt diese Weisheit außerdem und nannte auch die Hitze/Kälte-Schwankungen wegen Klimaanlage als Grund. Vorbehaltlich einer fachlichen Analyse ist es denke ich ein guter Leitsatz das so anzunehmen. Oder eine kleine urban legend, wer weiß das schon.

Anonym hat gesagt…

Reboardsysteme auch in der Altersklasse sind toll, aber anscheinend ein eher für sein Alter kleines Kind?
Ist ja allerdings auch Auto mit relativ wenig Platz hinten. Oder soll der Sitz nur ca. 1 Jahr genutzt werden und dann umgerüstet werden? Die Altersgruppen für die Sitze sind ja leider immer relativ. Oft sind die Kinder ja viel schneller rausgewachsen, es sei denn die Kinder sind eher klein. Beim Reboardsystem in der Altersgruppe nervt z.B. zudem die mangelnde Beinfreiheit. Und das Überstrecken der Kniegelenke durch die Kinder (Besorgte Eltern haben dann Angst vor kaputten Knien). Aber Reboardsitze auch in der Altersgruppe sind ja in Skandinavien hip und da das Auto skandinavisch ist... ;-)
Ich vermute sie meinen mit den 10 Jahren auch den Verschleiß durch die übliche Abnutzung (z.B. durch An- und Abschnallen). Und nach einem Unfall muss man ihn ja sogar früher, nämlich sofort, wegwerfen/austauschen.

"Ludigel" hat gesagt…

Genau mein Einwand bei Gattin. Weil er sehr groß ist für sein Alter ist er aus dem neuen Takata Midi pratisch schon wieder rausgewachsen. Für den Maxi war er aber noch etwas zu klein. Bei meiner Frau hat Junior da Top-Priorität, also sagte sie, wie kaufen kurz den Midi und dann bei planmäßigem Wachstum den Maxi. Kostet ja nur 450.- plus 200.- Versand, Forwardgebühren und Importsteurn, grummel, knurrrrrr...
Für Junior ist nix zu teuer!

"Ludigel" hat gesagt…

Erinnere mich wieder, hier war ein Fall im TV wo ein Suv von einem Sportwagen gerammt worden ist, eigentlich nichts passiert wäre, aber der Kindersitz im Kunststoff zerbrochen ist und das Kind durch die Scheibe gefolgen sein soll und tot war. So erzählte es Frau. Jetzt bitte keine Medienschelte, als Elternteil nimmt man im Zweifelsfall eine Gefährdung für Junior an. Sie sagten, der Kunststoff sei 10 Jahre alt und daher ermüdet. Wo ist der Materialexperte im Blog, wenn man ihn braucht?

Tamasü hat gesagt…

Na klar kann Kunststoff mit der Zeit brüchig werden, aber UV als Grund im Auto scheidet definitiv aus. Auch Temperaturschwankungen, wie sie in einem normal benutzten Auto auftreten, können den Kunststoffen, die in zertifizierten (!) Kindersitzen verbaut werden, nichts anhaben. Wenn schon, dann altern Kunststoffe bei lang anhaltenden (Wochen!) hohen (über 100°C) Temperaturen, zB. durch Ausschwitzen von Weichmachern. Dafür gibt es spezielle Tests, die den jeweiligen RTI (relative temperature index) einer Eigenschaft (zB. Sprödigkeit) bestimmen. Bestimmt wird gewöhnlich die Temperatur, bei der die Hälfte der Produkte oder Materialien nach 20000 Stunden (!) die geforderte Eigenschaft verloren hat (zB. zu spröde geworden). Da man selten 20000 Stunden -zig Exemplare testen kann, macht man das mindestens 5000 Stunden mit sehr vielen Exemplaren und vielen Temperaturstufen gleichzeitig und berechnet den RTI dann mittels Statistik. Die Kurven sind nichtlinear, meistens logarithmisch, bei einem RTI von 120°C passiert da bei 90°C praktisch nichts mehr. Und selbst wenn ein Auto in Taiwan immer draussen steht, dauert es seeeehr lange, bis da viele zig-Tausend Stunden bei 90°C Innentemperatur zusammenkommen.
Solche Tests sind bei Material- und Markenherstellern Standard im Rahmen der Zulassung (Zertifizierung).
Bei Billigdingern für unter 2000 NT$ sieht das vielleicht anders aus.
Daß im Taiwahn-TV bei einem Unfall mit Todesfolge natürlich der Sitz schuld ist und nicht die schlampige Befestigung von Kind oder Sitz dürfte klar sein. Und wenn das Kind von hinten aus dem Sitz waagerecht fliegend die Frontscheibe durchschlagen kann, war die Relativgeschwindigkeit deutlich mehr als 100 km/h oder die Geschichte gelo... unpräzise erzählt.

"Ludigel" hat gesagt…

Aha, da ist der geforderte Experte! ;-) OK, UV scheidet also aus, interessant zu wissen.

Anonym hat gesagt…

Lu Er Fu:
Also dass ein Kindersitz im Auto durch UV-Strahlung und Hitze brüchig wird kann im Normalfall nicht sein. Nicht innerhalb von 10 Jahren. Hitze lässt den Weichmacher entschwinden, die UV-Strahlung zerstört auf Dauer die Polymerketten vor allem wenn Sauerstoff dabei mithilft. (Und den gibt's ja reichlich). Da hat Tamasü recht. Und Kindersitze die älter als 10 Jahre sind wird wohl keiner gebraucht kaufen. (ausser sie standen 9 davon im Keller).

Taiwan ist nun auch von der Liste der Schlechtspritländer gestrichen worden. Wir dürfen nur noch Fahrzeuge mit EU6-Klasse dorthin verkaufen. D.h. jedes neue Fahrzeug muss Katalysatoren haben. Dieselfahrzeuge sogar Oxi-kat, Partikelfilter und SCR-Kat. Das macht zwar die Luft sauberer, aber die Autos um mindestens 3000 Euro teurer.

Anonym hat gesagt…

Lu Er Fu:
Schon wieder felt ein Kommentar:
Nochmal zu den Uv-Strahlen. Wie Tamasü schon gesagt hat, scheiden die als Killer aussolange das Auto geschlossen ist. Wenn du aber mit offenen Türen täglich neben einer Schweisserei parkst sieht das schon anders aus. Eher entfleucht der Weichmacher.
Zum Thema Kat: Taiwan ist nicht mehr auf der Schlechtspritliste und erlaubt nur noch EU6 Abgasnorm (zumindest beim Diesel. D.h. jedes neue Auto besitzt einen Oxi-kat. Diesel zusatzlich PArtikelfilter und SCR-Kat. Macht die Luft zwar sauberer, dafür das Auto einige k teurer und zwingt öfters zum Kundendienst. Ignorieren geht nicht mehr, da sonst die Karren in Notlauf gehen.

"Ludigel" hat gesagt…

Ah... also mal drunter gucken, ob nicht doch ein Kat drunter sitzt beim neuen.

"Ludigel" hat gesagt…

Kommentare sind bzw werden auf Wunsch gelöscht. Nur als Info für Leser. War aber alles locker.