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Freitag, Januar 09, 2015

Zeitzonenjongleure (Update)

Ein reines Luxusproblem: Welche Uhr legt man an, wenn man sich zwischen Zeitzonen bewegt: Eine analoge mechanische oder einen analog-digital Zwitter?

Sicher gibt es wichtigere Fragen im Leben, aber trotzdem finde ich hat das Jonglieren mit bis zu drei verschiedenen Zeitzonen auf Flugreisen mit Zwischenlandung etwas Untriviales. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Man hat entweder eine Uhr, die nur konventionell eine Zeitzone anzeigt und stellt diese immer wieder um - oder man verwendet eine Uhr, die mehrere Zeitzonen beherrscht. Die erste Methode ist narrensicher, aber für den Uhrenfreund natürlich viel zu langweilig. Die zweite Methode birgt die Gefahr, "lost in time zones" zu sein, je nach dem wie gut oder schlecht die Ablesbarkeit der Multi-Zeitzonenuhr ist.

Hier sind zwei gebräuchliche Konzepte parralel am Arm zu sehen, auch wenn ich so nicht wirklich auf Reisen gehe. Obwohl Fidel Castro ja einst eine bis zu drei Zeitzonen anzeigende Rolex GMT (von der die linke Uhr oben im Foto eine Hommage ist) und noch eine zweite Rolex am selben Arm hatte. Kunststück, wenn man die Rolexfiliale in  Havanna unter dem Deckmantel der Revolution plündern konnte.
Links eine Alpha GMT der Uhrenmarke aus Hongkong, die eine sehr stark am Original angelehnte Hommage der Rolex GMT ist, wie sie wohl 1961 oder dergleichen (wenn auch etwas kleiner als hier mit 4 cm Durchmesser ohne Krone) für die PanAm-Fluggesellschaft entwickelt wurde. Lustigerweise im Stil einer Taucheruhr mit dem klassischen Drehring, aber eben für Airlinepiloten konzipiert. Während das Original in der aktuellen fast unveränderten Version wohl 14.500 Euro kostet, wie mal jemand im Uhrenforum geschrieben hat, kostet die chinesische Hommage oben etwa 90 US-Dollar, bewegt sich aber in Sachen Verarbeitung und auch Bedienung schon in einem anderen Universum (und nicht nur in einer anderen Klasse), das ist klar.
Rechts eine Citizen Promaster Skyhawk mit irgendeiner langen Modellbezeichnung (und dem Uhrwerk C652 von Citizen), hier eine eher in Großbritannien verkaufte Version. Der britische Verkäufer auf Ebay schrieb, er würde die Skyhawk verkaufen, weil er eine alte Rolex geschenkt bekommen hätte. Die Citizen kann um die 20 Zeitzonen anzeigen und nicht nur drei wie die mechanische Alpha rechts.

Nur nicht schief gucken oder falsch drücken beim Ablesen, sonst ist der Flieger weg.

Von der Technik her ist links in der Alpha ein Shanghai "B"-Uhrwerk verbaut, also eine B-Qualität oder in Praxi oft schon mal reparierte Version eines GMT-Uhrwerks des eigentlich renommierten chinesischen Herstellers der Uhrenmarke Shanghai, das also vielleicht schon mal viele Jahre am Handgelenk eines chinesischen Bürgers verbracht hat, dann repariert wurde und heute in einer neuen Alpha tickt. Das Uhrwerk ist letztlich ein Nachbau eines schweizer GMT-Werks mit Automatik (zieht sich also ohne Batterie selbst am Handgelenk durch Bewegung auf) vom (fast-) Monopolhersteller ETA (Swatch Group). Wie auch beim Original hat die Uhr einen zusätzlichen roten Zeiger, der die zweite Zeitzone anzeigt. Weil dieser frei einstellbar ist (wie die Datumsverstellung, nur dreht man die Krone einmal herausgezogen andersherum) spricht man hier von einer "echten" GMT-Uhr. Will sagen einer echten zwei oder mehr Zeitzonen anzeigenden Uhr. Verwirrend hier sicherlich das Kürzel GMT, denndas GMT steht eigentlich für die Greenwich Median Time, die Greenwich oder englische Zeit (mittlerweile auch als UTC-Zeit bezeichnet), wird aber in der Uhrenwelt generell als Kürzel für "mehrere Zeitzonen" verwendet. Hier im Bild ist es also 21:06 in der zweiten Zeitzone (taiwanische Zeit, der rote Zeiger läuft in 24h einmal um, also nach der 24h-Skala auf dem Tauchring) und 02:06 in der Normalzeitzone (deutsche Zeit, hier läuft die Uhr normal im 12h-Umlauf). Dass dann 02:06 eben 14:06 bedeutet, muss man sich freilich herleiten.

Bei einer "unechten" GMT wie es sie z.B. vom Hersteller Orient gibt, folgt der 2. Zeitzonenzeiger hingegen immer Stur der Hauptzeit, kann also bei 02:00 Uhr nur entweder auf die "2" oder die "14" auf der 24h-Skala zeigen und nur durch die Drehbarkeit des 24h-Ringes kann man eine zweite Zeitzone einstellen. Es gibt auch Uhren, bei denen der 24h-Ring fest ist, das sind dann natürlich keine GMT-Uhren (sondern nur Uhren mit zusätzlicher 24h-Anzeige), denn sie können ja gar keine zweite Zeitzone anzeigen, auch wenn sie gerne als solche angeboten werden in den Weiten des Internets.

Nicht nur eine gute Uhr, auch gutes Schuhwerk braucht der Weltreisende, denn Terminalgänge sind endlos lang. Schuld an diesem Foto ist aber nur der Dezember-Playboy, den ein Kollege unbedingt aus Deutschland mitgebracht haben wollte. Mal was anderes als Weingummi oder Vitaminpillen. Ob er es bis in den Koffer geschafft hat sei hier verschwiegen.


Hat man mit einer echten GMT wie der Alpha, die auch noch einen drehbaren 24h-Ring hat, dann eine Zwischenlandung etwa in Bangkok, wo es dann z.B. 20:06 Uhr ist, kann man durch Drehung des Tauchrings die dritte Zeitzone für die Zwischenlandung einstellen. Man dreht den Ring so, dass der unveränderte 2.-Zeitzonenzeiger auf (ganz kurz nach) 20 statt auf 21 zeigt. Hat man die Zwischenlandung hinter sich, dreht man einfach den Tauchring wieder in die Ursprungsposition (Keil auf der Skala nach oben). So kann die Alpha tatsächlich recht gut mit drei Zeitzonen umgehen.

Hingegen setzt die Citizen rechts auf Elektronik und High-Tech, um den Flugreisenden beim Zeitzonenjonglieren zu unterstützen. Die Uhr wird von einem Citizen-typischen Eco-Drive-Uhrwerk angetrieben. Im Prinzip einfach eine multifunktionelle Quarzuhr mit sowohl analoger wie digitaler Anzeige, läuft sie nicht mit Batterie sondern mit einem Kondensator (und einer Notfallbatterie für dunkle Zeiten), der über ein kleines Solarpanel geladen wird. Das kann nach meinen Recherchen bis zu 19 Jahre lang gutgehen, schlimmstenfalls aber nach etwa 7 Jahren aufhören zu funktionieren. Ein Austausch von Kondensator und Batterie würde dann um die 60 Euro in Deutschland kosten. Viele Citizen Eco-Drive - Nutzer müssen das aber offenbar das ganze Uhrenleben lang nie machen lassen. Die Citizen erreichte mich gebraucht für 109 Euro aus England, im fast neuwertigen Zustand, von ein paar Armbandkratzern abgesehen. Neben Schmankerln wie Stoppuhr, Timer, Datum (immer für Digitalanzeige) und zwei Alarmen hat die Citizen eben die zahllosen Zeitzonen, die man über Druck auf den oberen Knopf auf der Digitalanzeige einstellen kann und die durch Städtekürzel wie PAR oder ROM (wahlweise für die GMT+1 - Zeitzone in der Deutschland liegt), LON (GMT+0), BKK (Bangkok, GMT+6) und z.B. PKG oder HKG für die GMT+7 - Zone Taiwans angezeigt werden. Oben im Bild hat die Citizen die taiwanische (HKG) Zeit auf der Analoganzeige (wofür es keine Städtekennung gibt) und die "Pariser"/deutsche Zeit auf der Digitalanzeige (Kürzel PAR und 14:05 wird angezeigt). Durch Drücken von oberem und unterem Knopf lassen sich beide Zeitanzeigen austauschen. Auf diese Art kann man immer die Analoganzeige so programmieren, wie man sie haben will. Wenn man jetzt also die beiden Drücker gleichzeitig betätigen würde, würde sich die Analoganzeige auf die deutsche Zeit stellen (fünf-nach-zwei anzeigen) und die Digitalanzeige würde auf HKG/21:05 wechseln. Natürlich kann man auch die selbe Zeitzone in Analog- und Digitalanzeige einstellen. Frei programmierbar ist eine weitere Zeitzone, hier kann man etwa KKD für Kleinkleckersdorf einstellen und sonst auch die Zeitverschiebung gegenüber GMT/London-Zeit (in vollen Stunden) frei wählen. Hinweis für Indienreisende: Die wenigen "krummen" Zeitzonen mancher indischer Regionen, die etwa GMT+5h.30min sind, unterstützt die Citizen nicht.

Um die Beschreibung zu vollenden: Beide Uhren haben Edelstahlgehäuse, die Citizen hat einen recht sinnlosen Flugbenzin oder Flugzeitrechner über winzig kleine Gravuren auf dem ebenfalls drehbaren Außenring und sonst schönes wirklich kratzfestes Saphirglas und ist 10 ATM / 100 Meter wasserdicht, was zumindest für zufällige Wasserbegegnungen reicht. Die Alpha hat nur Mineralglas, zwar eine taucheruhrentypisch verschraubte Krone, aber nur eine 5 ATM / 50 Meter - Wasserdichtigkeit. Die sollte aber auch für zufällige Wasserbegegnungen reichen - leichten Regen hält sie jedenfalls aus. Der Tauchring der Alpha ist wie bei solchen Uhren üblich nur einseitig (nach links) drehbar und rastet dabei ein, ist aber gut drehbar.

Wie gut funktioniert nun das Ablesen bzw. Einstellen der zweiten und dritten Zeitzone mit der Alpha bzw. der Citizen?

Die Alpha hat eigentlich eine klare Ablesbarkeit und alles ist sofort intuitiv klar, wenn man einmal bedenkt, dass der zweite Zeitzonenzeiger eben auf einer 24h-Skala läuft und nicht wie sonst auf einer 12h-Skala. Wäre die Alpha eine Rolex oder auch eine ebenfalls an die Rolex recht angelehnte deutsch-schweizerische "Steinhart" mit original ETA-Werk, dann wäre sie sicher die einfacher zu handhabende Alternative der beiden. Nachteilig höchstens, dass sie keine Wochentagsanzeige hat und natürlich mechanotypisch das Datum stur 1-31 läuft und sich nicht an die Monatslänge anpasst. Aber das kennen Freunde mechanischer Uhren natürlich.
Allerdings hat die chinesische Alpha einige Nachteile: Die zweite Zeitzonenanzeige läuft manchmal etwas nach, steht also etwa bei 14:06 mit dem GMT-Zeiger noch kurz vor der 14 und nicht kurz nach der 14, was etwas verwirren kann. Außerdem verstellt das Einstellen der Hauptzeit den Zeiger für die zweite Zeitzone mit, was beim hektischen Vertauschen von Haupt und Zweitzone auf Flugreisen ganz schön nerven kann. Mein Exemplar hatte außerdem ein scharfkantiges "Jubilee"-Metallarmband, das überhaupt nicht zu gebrauchen war und daher oben von mir durch ein Lederband ersetzt worden ist (man kann die Alpha auch mit einem Textilband ordern). Auch die Gehäuseunterseiten waren so scharfkantig, dass Schnittgefahr beim Anfassen bestand und ich der Chinesin erst mal mit Schleifpapier zu Leibe rücken musste. Auch ist die Krone zu groß und gräbt sich manchmal schmerzhaft in den Handrücken, insbesondere beim Koffertragen. Auch hatte sich im letzten Jahr bei winterkalter Außenluft und warmer Heizungsluft die blaurote Farbskala (ein Stahlblechring) von der Uhr gelöst, ließ sich aber mit Pattex sicher wieder befestigen und blieb dieses Jahr brav am Platz. Ein im Orginalzustand mangelhaftes Ergebnis für die Alpha also, was chinesischer Leichtigkeit bei Konstruktion und Fertigung geschuldet ist. Aber ganz brauchbar, wenn man nachbessert und nachbastelt.

Die Citizen hingegen erfordert beim Einstellen etwas Lesen und herumprobieren und bringt mich immer wieder dazu, die falschen Zeitzonen anzuzeigen. Etwa kommt man machmal auf den oberen Druckknopf und hat dann etwa BKK statt HKG auf der zweiten Zeitzone, was man spätestens dann nicht mehr merkt, wenn man die Digital- und die Analoganzeige wie beschrieben umtauscht. Auch verlangt die Citizen manuelles Nachführen der Winter- und Sommerzeit. Das muss man bei der Alpha natürlich auch selbst einstellen, aber bei den ca. 20 Zeitzonen der Citizen ist das eine elende Arbeit. Sie bietet zwar eine SMT genannte Funktion dafür (Dailight Saving on oder off), aber diese zieht offenbar nur pauschal eine Stunde von der eingestellten Zeitzone ab, wenn SMT/Daylight Saving aktiviert wird, egal welches Datum gerade ist. Man kann allerdings nicht benötigte Zeitzonen totschalten und hat dann weniger Komplexität. Als gelegentlicher Lesebrillenträger kann ich die zweite Zeitzone auf der Citizen bzgl. der Uhrzeit ganz gut ohne Brille ablesen, das Städtekürzel hingegen kann ich bei Schummerlicht schon nicht mehr lesen ohne Brille. Auch die Einstellerei erfordert das Nasenfahrrad, um nicht mit tränenden Augen dazusitzen.

Die Citizen zeigt noch die englische/GMT - Zeit auf der kleinen Uhr rechts oben an (mit UTC beschriftet), aber im 24h-Modus und hat eine weitere 24h-Anzeige auf der kleinen Uhr links oben im Zifferblatt, die immer zur Analogzeit passt.

Beide Uhren haben also ihre Vor- und Nachteile in der Handhabung, auch wenn die Citizen durch erstklassige Verarbeitung natürlich den souveräneren Eindruck macht: sie hätte ja auch im Neupreis 200 britische Pfund und nicht 90 US-Dollar gekostet wie die Alpha.

Wo die Citizen manchmal etwas "fieselig" wirkt durch die diversen Funktionen und man manchmal vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr findet, ist die Alpha hingegen zu nachlässig konstruiert bzw. zusammengebaut.

Was von beiden ist also besser? Hmmm.....   vielleicht doch einfach das Neueinstellen der jeweiligen Zeitzone auf einer konventionellen Dreizeigeruhr?  ;-)

Oder eben eine bessere Rolex-GMT-artige Uhr wie eben die des deutschen Herstellers Steinhart, die dann aber auch 450 Euro kosten würde. Die waren leider gerade nicht lieferbar als ich kaufen wollte, weil ETA den Hersteller nicht rechtzeitig mit Uhrwerken beliefert hatte. Trotzdem ist die Citizen mit Eingewöhnung sicher eine fast optimale Sache auf Reisen.
 



2 Kommentare:

CitizenUhrenFan hat gesagt…

Ich hab jetzt meine Citizen schon seit zwei Jahren und es war definitiv die richtige Entscheidung zum gegebenen Zeitpunkt. Ich finde beiden Uhren die du vorgestellt hast super, aber würde glaube ich wieder zur Citizen greifen.

"Ludigel" hat gesagt…

Ich dachte eigentlich: Nie wieder Quarz und bloß nicht Analog/Digital kombiniert. Aber die Citizen hat es so nett gemacht, eben auch mit EcoDrive, dass sie mich ähnlich fasziniert wie sonst nur eine mechanische. Und gegenüber der Solarkonkurrenz besticht Citizen wohl durch Haltbarkeit von Kondensator/Akku. Nettes Ding.