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Donnerstag, Oktober 18, 2007

Der gefledderte Schwiegervater 2

Der gefledderte Schwiegervater Teil 2
Weiter geht der Bestattungsreigen

Erster Teil HIER.

Schwiegervater lag also in seiner Schublade im Leichenschauhaus, doch es ist noch lang nicht vorbei. Meine Frau hat ihn jetzt regelmäßig besucht. Anfangs war ich dabei, wir ziehen die Schubade auf und da liegt er darinnen, jetzt schon etwas ... farblich verändert. Aber nicht wie im Horrorfilm fahl oder blau, sondern rötlich ins Lila abgleitend. Und er liegt anders da! Seine Decke ist verrutscht. Für einen Moment gruselt es mich, war er wirklich tot? Doch das war er sicher, die entspannte Muskulatur hat ihm nach Jahren des Liegens mit angezogenen Beinen endlich erlaubt, die Beine auszustrecken. Wir richten seine Hakenkreuzdecke (nicht aufregen, lieber Leser, sondern den ersten Teil recherchieren) und meine Frau redet mit ihm. Sie will ihn etwas bequemer hinlegen, doch das geht nicht mehr. Denn Vater ist jetzt.... ich habe es auch gefühlt .... starr wie das buchstäbliche Waschbrett.
Ich gebe zu ich habe diesen direkten Kontakt mit dem Leichnam als unnötig und unangenehm empfunden, aber im Buddhismus ist der Tod nicht so tabuisiert wie bei uns. Wieder die Verabschiedung, auch ich sage kurz Bye Bye zu Schwiegerpapa und dann ermahnt mich meine Frau wieder, mich nicht umzusehen. Denn Papa hat jetzt die schwierige Phase seines ... Lebens ... erreicht, wo er von den Lieben Abschied nehmen muss. Und daher muss er zur Umgewöhnung erstmal etwas Zeit auf dem .... Bahnhof für die Verschiedenen verbringen. Denn bald geht er ein in die Geisterwelt, übrigens eine altchinesische Gesellschaft mit einer legendären Kaiserfigur an der Spitze nebst Heerscharen und einer riesigen Bevölkerung aus von ihren Ahnen gutversorgten satten Geistern und solchen, die hungrig und böse sind, weil sie keine Ahnen haben, die sie versorgen. . Was mich zu der Frage führt, ob denn dann nicht alle Geister irgendwann böse werden, mangels Opfergaben, aber lassen wir das hier.


Longshan Tempel Taipei, ohne direkten Bezug

Geister mögen keine Erdbeerkekse
Vater bekam seinen eigenen winzigen Opferaltar, weil eine billige Bestattungsstätte nur ein kleiner Stellplatz inmitten unzähliger anderer, in einer Art Halle, mit merkwürdiger Papierstatuette in der Mitte, einem plärrenden schwarzen Trauerradio mit Mönchsgejammer und unzähligen Opfergaben, darunter Getränke und Kekse, Obst und Garspeisen.
Getränke wurden geöffnet, sonst trinkt es sich auch als Ätherischer etwas schlecht. Opfergaben in China kann man eigentlich wieder mitnehmen und selbst essen, weil die Geister oder Götter ja nur den Geist der Speisen essen, nicht den Körper. Zu meinem Leidwesen sind diese Verstorbenengaben aber eine Ausnahme, sie bleiben im Krematorium. Noch nie habe ich so viele leckere Kekse und Äpfel und Softdrinks auf einem Haufen gesehen, na ja abgesehen vom Supermarkt um die Ecke. Aber nur die Priester dürfen die Sachen .... wegwerfen oder anderweitig verbringen .
Ich sollte die Lieblingskekse meines Schwiegervaters kaufen, damit er bekommt, was er am liebsten mag, aber ich habe schmählich versagt und Erdbeer-Schokokekse mitgebracht. Die mag er aber nicht, wirft meine Frau sofort ein. "Dann kann er ja vielleicht mit seinem Nachbarn tauschen", kam mir sofort in den Sinn, aber ich habe den Satz gerade noch verschlucken können.


alle Fotos: Ludigel

Keine Zeit für Trauer, Kofferpacken für den Toten
In dieser Zeit fiel mir auf, dass meine Frau plötzlich keine Zeit mehr für Trauer hatte, im Gegenteil, sie wirkte ähnlich geschäftig, als wenn sie für uns eine Reise vorbereitet. Und richtig, seine sämtlichen Sachen wurden gepackt, alle Oberhemden und Hosen und Anzüge, ein paar Socken und Unterwäsche, Reiseproviant besorgt, nicht der mit Erdbeeren, und Geistergeld und Geisterschiffchen mussten besorgt werden.


Geistergeld, in jedem Supermarkt
Das im Totenreich Chinas bzw. Taiwans eine andere Währung herscht, das wussten Sie doch, oder? Im Tempel oder Geschäft kauft man das vergilbt wirkende Papier mit blattgoldenen Auflagen, sogenanntes Geistergeld. Man verbrennt es im Tempelofen oder eben auch im Opferofen auf diesem Totenairport (Krematorium) und durch seine Entstofflichung gelangt das Geld dann in die Hände des Verstorbenen. "Wozu braucht er soviel Zaster?" fragte ich da mein Weib. Und siehe da, im Jenseits herrscht himmelschreiende Korruption. Ältere Geister, insbesondere die fustrierten unversorgten, schieben sich vor die Neuankömmlinge und wollen ihnen den Durchgang durch die himmlischen Pforten versperren. Diese führen dann wohl zu einer Art höherem Jenseits, aber als junger Geist kommt der alte Mensch eben ersteinmal in dieses Fegefeuer. Und er braucht kleine Papierschiffchen, die man auch für teures Geld im Tempfel bekommt. Wozu? Na Mensch, für die Flüsse, denn das Geisterland hat als Kopie des richtigen Landes Flüsse und wie jeder Chinese weiß, kann ein Geist kein fließendes Wasser überqueren. Jedenfalls nicht ohne Schiff. Naja, ohne Schiff tue ich mich da ja auch meists schwer, da will ich mal nicht so hochnäsig sein.
Die Geister haben ihm übrigens ständig Geld und Essen abgenommen und ihn lange nicht an die Pforten gelassen, das hat er meiner Frau im Zwiegespräch vor dem Opferaltar gesagt. Da konnte er je nach Münzwurf mit Ja und Nein antworten.
Verzweifelt hat ihm meine Frau schließlich echte 4000 Taiwandollar (durch 40 teilen für Euro) verbrannt, weil die in der Geisterwelt viel viel mehr Wert sind. Da kamen auch mir die Tränen...

Später mehr, wenn nicht schon alle schnarchen...


Dritter Teil HIER (Link)

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